Klettern: Ganzkörpersport oder einseitig belastende Sportart?

Klettern wird oft als Ausgleichssport und Ganzkörpersportart gelobt*. Der Blick auf die beanspruchten Muskelgruppen zeigt aber ein anderes Bild: Es werden nur ein Viertel der Muskeln des Körpers nennenswert stark zum Klettern gebraucht. Ist es deshalb falsch von einer Ausgleichssportart bzw. von einem Ganzkörpersport zu sprechen?

Meiner Meinung nach ist es wirklich falsch, Klettern als eine Ganzkörpersportart zu bezeichnen. Es dominieren nur sehr wenige Muskeln das Geschehen. Viele wichtige Muskeln wie die der Oberschenkel, sowie im untereren und mittleren Rücken werden stark vernachlässigt. Die ultimativen Ganzkörpersportarten wären für mich der Stabhochsprung, der Zehnkampf, Crossfit und Kampfsportarten wie Karate und Kickboxen. Sicherlich gibt es noch Weitere.

Stabhochsprung: Allumfassender Ganzkörpersport
Stabhochsprung: Allumfassender Ganzkörpersport

Als Ausgleichssport kann Klettern aber sehr wohl herhalten. Und zwar im Sinne von gelegentlichem oder auch regelmäßigen Training für den typischen Wohlstandsmenschen. Dieser hat nämlich gerade bei den kletterspezifischen Muskelgruppen Defizite. Das Klettern wird diese Defizite abschwächen und Problemen wie Rückenleiden entgegenwirken. Zusätzlich bewirkt vermutlich das Hängen an den Armen alleine schon für eine Entspannung im Schultergürtel und Rückenbereich. Ganz zu schweigen von den positiven Wirkungen auf die Psyche, die das Klettern gerade draußen in der Natur hat.

Beanspruchte Muskeln beim Klettern
Beanspruchte Muskulatur beim Klettern

Für alle beanspruchten Muskeln beim Klettern, siehe Artikel hier!

Für den inneren Rücken (Trapezius, Rautenmuskel) und den unteren Rücken (Rückenstrecker) sollte aber über das Klettern hinaus etwas getan werden. Hierfür eigenen sich alle Ruderübungen für den inneren Rückenbereich und Hyperextensions für den Rückenstrecker. Auch das Kreuzheben ist richtig ausgeführt, eine perfekte Übung für den Rückenstrecker. Für Anfänger eignet sich das Kreuzheben aufgrund der hohen technischen Anforderung wohl nicht. Für den Leistungskletterer ist der Muskulaturzuwachs an den Beinen unerwünscht.

Weitere vernachlässigte Muskeln beim Klettern: Trizeps, Schulter- und Brustmuskulatur

Dazu gibt es noch weitere durchs Klettern und im Alltag weniger stark beanspruchte Muskelpartien. Beginnen wir mit den vorderen und mittleren Schultermuskeln (Deltamuskel – Musculus deltoideus). Diese arbeiten, wenn ein Widerstand mit den Armen nach oben gehoben, oder gedrückt wird. Schulterdrücken, Front- und Seitheben sind Übungen für die Schultermuskulatur.

Den Trizeps (Musculus triceps brachii) und die vordere Brustmuskulatur (Musculus pectoralis major) sind für Drückbewegungen hauptverantwortlich. Drückbewegungen hat man beim Klettern natürlicherweise überhaupt nicht. Mit Liegestützen erwischt man beide, den Trizeps und die Brustmuskulatur!

Die Sicht auf einen ambitionierten oder extremen Kletterer

Was für den Anfänger beim Klettern positive Auswirkungen hat, kann bei einem ehrgeizigem Klettern mit der Zeit ins Gegenteil ausschlagen: Muskuläre Dysbalancen und Verkürzungen. Diese können zu Haltungsschäden wie den Kletterrücken und Folgeverletzungen führen. Deshalb ist ein Ausgleichstraining bei einer Sportart wie Klettern ab einen gewissen Leistungslevel sinnvoll.

Zusätzlich werden in der Regel gewisse Körperteile bewusst schwach gehalten, um ein geringes Körpergewicht zu halten. Das gilt vor allem für die Beinmuskulatur. Und nein: Eine gute, dynamische Beinarbeit hilft nicht die Oberschenkelstecker und -Beuger nachhaltig zu stärken.

Aber trotzdem: Klettern ist ein Wahnsinnssport! Vor allem was Psyche, Erlebnisfaktor und Spaß an Bewegungen betrifft. Und auch wenn die muskuläre Belastung einseitig sein mag, die Abwechslung an ständig neuen Routen, Felsen und Boulderproblemen ist beim Klettern einzigartig.

Spaß am Klettern
Der Hebstweg an der Klinge im Kleinziegenfeldertal (Frankenjura)

*) http://www.focus.de/digital/multimedia/klettern-ideales-workout-fuer-die-muskeln_aid_778696.html

http://www.menshealth.de/fitness/trendsport/mit-klettern-alle-muskelpartien-trainieren.121149.htm

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5 Gedanken zu „Klettern: Ganzkörpersport oder einseitig belastende Sportart?

  • 14. November 2019 um 8:26
    Permalink

    Hallo

    Ich habe da mal eine Frage ich hatte einen Unfall und einen Bandscheibenvorfall, bzw eine Black Disc, heißt Bandscheibe gibt es nicht mehr in L5L6 und brauchte 2 Jahre um wieder normal laufen zu können… Nun haben mich Freunde eigeladen Bouldern zu gehen, ich denke ist nicht die beste Idee, wegen Absprung usw, was ist Ihre Meinung dazu? bin momentan total scherzfrei..

    Freundlichst
    Christian K.

    Antwort
    • 15. November 2019 um 15:19
      Permalink

      Hallo Christian!

      Ja, das ist riskant! Weniger das Bouldern selbst, sondern einfach das abspringen oder stürzen. Man kann allerdings auch sehr vorsichtig ran gehen und alles wieder abklettern. Dann geht aber auch ein bisschen der Reiz des Boulderns verloren, wo man ja am persönlichen Limit sehr schwere Kletterzüge versucht. Man kann auch das Stürzen lernen, indem man sich immer schön über Hüfte und Rücken abrollt. Aber grundsätzlich sollte man auch nach einem überwundenen Bandscheibenvorfall sehr vorsichtig und bedacht an die Sache herangehen…

      Kletter mit Seil ist da sicherlich weniger bedenklich!

      Also wenn es dich trotzdem reizt: Einfach sehr vorsichtig mal ausprobieren!

      Viele Grüße
      Christoph

      Antwort
  • 19. Juni 2019 um 12:48
    Permalink

    Hallo,

    Auch ich habe beim Klettern andere Erfahrungen gemacht. Insbesondere im Überhang wird die komplette Rückenmuskulatur beansprucht und trainiert und Trizpes, wie bereits angesprochen, bei allen abdrückenden Bewegungen. Und wenn man den Weg zur Steilwand (mit dem Rad) zum Sport hinzunimmt, dann ist der ganze Körper trainiert.

    Viele Grüße

    Antwort
    • 19. Juni 2019 um 21:36
      Permalink

      Hallo!
      Danke für deinen Beitrag! Hast du dir auch das Video dazu angeschaut? Ich stehe nach wie vor voll hinter dem, was ich dort gesagt habe: https://youtu.be/J9bQaAL-0m0

      Trizeps – ist das dein Ernst? Bei einem Mantle vieleicht. Aber willst du die Beaspruchung von „ab und zu mal einem Mantle“ auf dem Trizeps damit vergleichen, wie er in anderen Sportarten, wie z.B. beim Bankdrücken gefordert ist?

      Antwort
  • 26. März 2017 um 21:49
    Permalink

    Also ich muss dir an einigen Punkten widersprechen.
    Die Aufwärtsbewegung beim Klettern erfolgt aus den Beinen. Häufig muss man an der Wand mit einem Bein aus der Hocke aufstehen. Mir beschert das nicht selten Gesäß- und Oberschenkelmuskelkater. Es stimmt aber, dass nicht die gesamte Oberschenkelmuskulatur beansprucht wird.
    Der Trizeps wird auch trainiert, da man sich nicht nur hochzieheb, sondern auch hochdrücken kann/muss.
    Insbesondere bei der Brust und den unteren Rücken gebe ich dir aber recht.
    Liebe Grüße

    Antwort

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