Der Kletterrundrücken – Ursachen und Gegenmaßnahmen

Der sogenannte Kletterrundrücken ist eine häufig auftretende Haltungsschwäche bei ambitionierten und extremen Kletterern. Die Krümmung der Brustwirbelsäule des Rückens ist dabei optisch leicht zu erkennen. Ein weiteres Merkmal sind nach hinten eingedrehte Hände, wenn der Kletterer im entspannenden Zustand da steht. Medizinisch nennt sich das „Hyperkyphose der Brustwirbelsäule“.

Der Rundrücken entsteht dabei nach und nach über die Jahre und zunächst unbemerkt. Außerdem treten auch meist keine unmittelbaren Schmerzen mit dieser Haltungsschwäche auf. Schmerzen und weiter Rückenverletzungen können aber durchaus in der Folge entstehen.

Ursachen des Kletterrundrückens

Meiner Meinung nach sind durch das Klettern entstandene Muskeldysbalancen die Hauptursache. So stehen einem abgeschwächten oberen Rücken sehr starke Muskelgruppen gegenüber, welche den Rumpf krümmen und die Schultern nach vorne ziehen.

Zu der sehr stark entwickelten Muskulatur gehört in ersten Linie:

Kletterrundrücken - Starke Muskulatur
Kletterrundrücken – Starke Muskulatur

Diese Muskelgruppen werden durch alle Arten von Klimmzugbewegungen und durch das Aktivieren von Körperspannung durch das Klettern in steilem Gelände stark.

In gewissen Kreisen wird der Latissimus auch als „Gelehrtenmuskel“ bezeichnet, da er hilft die Hand nach hinten auf dem Rücken zu führen, was gerne von Professoren vom alten Schlag beim Lehren gemacht wird. Die nach hinten eingedrehten Hände, sind daher sehr wahrscheinlich auf einen überstarken Latissimus im Vergleich zu den Antagonisten zurückzuführen.

Der große Brustmuskel (Musculus pectoralis major) gehört hingegen nicht zu den starken Muskeln eines Kletterers. Dieser Muskel wird bei Drück- und Schleuderbewegungen gebraucht. Beispiele wären der Liegestütz, Bankdrücken oder Diskuswerfen. Zudem wird der große Brustmuskel ständig beim „Hängen am langen Arm“ beim Klettern etwas aufgedehnt. Ich kann mir daher nicht vorstellen, dass dieser einen Beitrag zum Rundrücken bei Kletterern haben soll, da er weder zu stark noch verkürzt sein sollte. Er scheint zwar verkürzt zu sein, aber es sind andere Kräfte, die den Brustmuskel fälschlicherweise in den Fokus des Problems rücken lassen.

Siehe in diesem Zusammenhang auch den Artikel „Beanspruchte Muskeln beim Klettern“!

Folgende Muskeln sind bei Kletterern meist zu schwach:

Kletterrundrücken - Schwache Muskulatur
Kletterrundrücken – Schwache Muskulatur

Dabei sollten meiner Meinung nach vor allem der Trapezius, der Untergrätenmuskel und der kleine Rundmuskel gestärkt werden. Diese relativ große Muskelgruppe macht den Nacken und den inneren Rücken aus. Diese Muskulatur trägt allesamt dazu bei, den oberen Rücken aufzurichten und die Schultern nach oben und hinten zu ziehen.

Beim Anteil der Rautenmuskeln am Kletterrundrücken bin ich mir nicht so sicher. Einerseits wird diese Muskulatur bei Klimmzugbewegungen gebraucht, andererseits aber auch bei Ruderübungen. Während der Kletterer bei Klimmzugbewegungen sehr stark ist, ist er bei Ruderbewegungen eher schwach. Vielleicht lässt sich dieser Widerspruch damit erklären, dass bei den verschiedenen Bewegungen, verschiedene Fasern der Rautenmusklen beansprucht werden. Ich selbst kann die Rhomboiden bei Bewegungen z.B. nicht spüren, da die großen Latissimus- und Trapezmuskeln einfach zu dominant auf das Muskelbewusstsein wirken.

Untergrätenmuskel und kleiner Rundmuskel

Diese beiden Muskeln setzen am hinteren Teil des Schulterblattes an. Von dort passieren sie das Gelenk zwischen Schulterblatt und Oberarm und setzen dort am großen Oberarmhöcker an. Sie spielen bei der Rotation des Arms und der Schulterblätter nach außen eine wichtige Rolle. Bei manchen Menschen sind der Untergrätenmuskel und der kleine Rundmuskel sogar miteinander verschmolzen.

Gegenmaßnahmen zur Vorbeugung und Rückbildung des Kletterrundrückens

1. Stärkung der Rückenmuskulatur

Als Gegenmaßnahme würde ich vor allem ein Antagonistentraining zur Stärkung der schwachen Rückenmuskulatur vorschlagen. Im Mittelpunkt sollten verschiedene Ruderübungen zur Stärkung der Rückentiefe (Trapezius) stehen. In geringerem Umfang sollten Hebeübungen für die Schulter und Streckübungen für den Rücken  gemacht werden.

Der Trapezius - Wichtiger Muskel zur Vermeidung des Kletterrundrückens
Der Trapezius – Wichtiger Muskel zur Vermeidung des Kletterrundrückens

Folgende Übungen sind geeignet:

  • Ruderübungen für die Rückentiefe (Trapezius, Rautenmuskeln)
  • Hebeübungen für den oberen Trapezius
    • Schulterheben auf verschiedene Arten (Kurzhantel, Langhantel, Maschine)
  • Hebeübungen für die Schulter
  • Drückübungen für die Schultern
    • Kurzhanteldrücken nach oben
    • Langhanteldrücken nach oben (von der Brust weg)
    • (Nackendrücken – sollte man eher nicht machen, da unergonomisch für die Halswirbelsäule!)
  • Streckübungen für den Rücken
    • Hyperextensions
    • Oberkörperbeugen mit Langhantel im Stehen
    • Kreuzheben klassisch (ich würde es als Kletterer nicht machen, da ich starke Beine beim Klettern nicht will)
    • Kreuzheben mit gestreckten Beinen und halben Bewegungsumfang (evtl. auch für Kletterer geeignet, da es den Beinbizeps nicht mit bearbeitet)

Die Übungen bitte googeln, solange wir hier im Magazin noch kein Beispiel dafür haben. Für ein sinnvolles Antagonistentraining müssen bei weitem nicht alle der aufgelisteten Übungen gemacht werden. Es reicht je nach Möglichkeiten und Vorlieben sich ein paar wenige davon heraus zu nehmen. In den verschiedenen Einheiten die Übungen auszutauschen ist eine sehr gute Idee!

Um nur Vorbeugung für den Kletterrundrücken zu betreiben, langt ein ca. einstündiges Training alle zwei bis drei Wochen. Noch besser ist es im Winter und Sommer so ein Training vermehrt einzubauen. Winter und Sommer deswegen, weil hier die Bedingungen für Höchstleistungen am Fels am schlechtesten sind und so die Zeit für Antagonistentraining für viele am günstigsten ist. Man darf nämlich nicht vergessen, dass so ein Training auf die unmittelbare Kletterleistung einen eher schlechten Einfluss hat. Wer vor hat ein schweres Projekt durchzusteigen, sollte die Tage davor besser kein Antagonistentraining machen, da es kurzfristig Muskelkater hervorruft und träge macht.

Bei akuten Rundrückenproblemen sollte man hingegen wöchentlich eine Gegenspieler Einheit absolvieren.

Ich persönlich würde ein Hantel- und Maschinentraining in einem Fitnessstudio gegenüber Übungen mit dem Theraband oder einem Slingtrainer bevorzugen. Trainiert werden sollte Hypertrophie im Stile von klassischem Bodybuilding. Das bedeutet pro Muskelgruppe ca.3 Übungen mit jeweils 3-4 Sätzen. Ein Satz sollte sich zwischen 8 und 14 Wiederholungen befinden. Das Gewicht sollte so gewählt sein, dass die Übungen bis auf die letzten zwei Wiederholungen sauber und ohne Abfälschen möglich sind. Pause zwischen den Sätzen: ca. 2 Minuten. Eine sehr gute, einstündige Einheit könnte daher so aussehen:

  • Trapezius:
    • Langhantelrudern vorgebeugt: 3×12
    • T-Bar Rudern: 3×12
    • Rudergerät im Sitzen: 3×12
    • Kurzhantelheben für den oberen Trapezius: 4×15
  • Deltas:
    • Frontheben mit Kurzhanteln: 3×12
    • Seitheben mit Kurzhanteln: 3×12
    • vorgebeugtes Seitheben mit Kurzhanteln: 3×12
  • Rückenstrecker
    • Hyperextensions: 4×15
    • Oberkörperbeugen mit Langhantel im Stehen: 4×12

Wie immer gilt: Abwechslung ist alles! Daher auch andere Übungen und Trainingsformen verwenden. Z.B. Eigengewichtsübungen am Boden, Übungen an den Ringen, Minibarren oder auch am Reck. Aber immer die richtige Zielmuskulatur, vornehmlich den Trapezius, im Auge behalten!

2. Kontrolle der Körperhaltung

Ein nicht zu unterschätzender Punkt ist die Kontrolle der Körperhaltung. Das bedeutet, sich ständig am Tag daran zu erinnern, die eigene Haltung zu kontrollieren und zu korrigieren. Bei einem Kletterrundrücken heißt das, die Schultern nach hinten, den Rücken aufrecht und gerade und die Halswirbelsäule ebenfalls aufrecht und gerade zu halten.

Das Problem an der Sache wird aber die regelmäßige Erinnerung daran sein. Der Körper wird nach kurzer Zeit automatisch wieder seine gewohnte schlechte Haltung einnehmen. Ohne Tricks wird man nur sehr selten am Tag sich daran erinnern eine gute Haltung einzunehmen. Z.B. dann wenn man zufällig an einem Spiegel vorbei kommt. Mir fallen aber zumindest zwei Tricks eins, um regelmäßiger die Haltung zu korrigieren.

Trick 1: Das persönliche Umfeld aufmerksam machen

Die etwas unzuverlässigere Variante ist es, sein persönliches Umfeld wie Freund/Freundin, Eltern oder Kletterkollegen dazu anzuhalten, einem auf die schlechte Haltung hinzuweisen. Je nachdem wie aufmerksam und zuverlässige die Personen sind, kann das zur Korrektur deiner Haltung beitragen.

Trick 2: Einen Timer alle 30 min zu stellen

Die drastischere, aber zuverlässigere Methode ist einen Timer mit der Uhr oder dem Handy alle 30 Minuten lang zu stellen. Jedes Mal wenn dieser anschlägt achtest du drauf deine Schultern, Rücken und Halswirbelsäule wieder zu korrigieren.

Andere Meinungen

Thomas Hochholzer und Volker Schöffl

Laut dem Buch „Soweit die Hände greifen…“ von Thomas Hochholzer und Volker Schöffl ist nicht die schwache Rückenmuskulatur der Auslöser, sondern „eine deutlich verkürzte und verspannte bauchseitige Muskulatur“ (Seite 93-96 Auflage 2007/2009). Begründet wird das mit „in der Regel optisch sehr ausgeprägter (Rücken-) Muskulatur bei Leistungskletterern“.

Es werden auch zwei Bilder mit der Rückenmuskulatur beim Klettern gezeigt. Und hier hat vor allem der Kletterer auf dem oberen Bild in der Tat eine sehr starke Trapezius- und Deltamuskulatur. An dieser Stelle halte ich aber entgegen, dass es sich bei diesem Kletterer um eine Ausnahme diesbezüglich handelt. Möglicherweise wurde diese Muskulatur auch über ein Antagonistentraining aufgebaut. Weiterhin wäre interessant ob dieser Athlet (möglicherweise Volker Schöffl selber?) unter einen Kletter-Rundrücken leidet. Ich bezweifle dies!

Meine persönlichen Beobachtungen gehen zudem in die Richtung, dass die meisten Kletterer eben keine starke innere Rückenmuskulatur haben. Durch die oftmals sehr definierten Körper sieht man zwar jeden Muskel, was aber nicht gleich heißen muss, dass die Muskulatur auch besonders stark ist. Oder, dass zumindest nicht Dysbalancen durch noch stärkere Gegenspieler auftreten.

Außerdem bezweifle ich, dass ein starker und damit auch verkürzter Pectoralis Major bei den meisten Kletterern ein Problem darstellt. Wie schon weiter oben ausgeführt, denke ich, dass  eher das Gegenteil der Fall ist. Den Brustmuskel gezielt aufzudehnen sollte daher das Problem nicht beheben.

Guido Köstermeyer

In der 7. Auflage von Peak Performance (Seite 147) sieht Guido Köstermeyer auch muskuläre Dysbalancen als Verursacher des Kletterrundrückens und spricht in diesem Zusammenhang von „einer einseitigen Entwicklung der Hauptarbeitsmuskulatur“. Köstermeyer empfiehlt daher auch ein Training der Gegenspielermuskulatur.

Das Dehnen der  scheinbar verkürzten Brustmuskulatur wird mit dem Hinweis abgelehnt, dass Dehnen ähnliche Effekte wie ein Krafttraining hat und das Problem somit verstärkt wird. An dieser Stelle glaube ich, wie oben schon ausgeführt, nicht an eine verkürzte Brustmuskulatur. Darüber hinaus bezweifle ich, dass Dehnen der Brustmuskulatur zu einer Verschärfung des Rundrückens beiträgt, weil sich dadurch die Muskulatur verstärkt. Dehnen mag bei gänzlich untrainierten Menschen und Menschen, welche sich bisher überhaupt nicht neben dem Krafttraining gedehnt haben, einen kleinen Hypertrophie-Effekt haben. Aber dieser Effekt dürfte sehr gering sein. Durch Dehnen allein hat noch niemand einen muskulösen Körper aufgebaut.

 

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6 Gedanken zu „Der Kletterrundrücken – Ursachen und Gegenmaßnahmen

  • 18. Mai 2024 um 19:50
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    Ich kann nur jedem Klettere empfehlen zu dehnen, zu trainieren, zu dehnen und vor allem die „Gegenspieler“ wie hier gut beschrieben auf zu trainieren! Ich habe massiv zu kämpfen mit meiner zum Teil übertrainierten und zum Teil unter trainierten Muskulatur. Das ganze macht sich nicht sofort bemerkbar, bei mir waren es viele Jahre (30 Jahre) alles ging gut, bis es mir auf einen Schlag in den Rücken gefahren ist. Das überfordert viele Physiotherapeuten, die sind dann wirklich überfordert. Die Auswirkungen sind teils extrem, von Blockaden über Bandscheibenverschleiß im Bereich der HWS und obere BWS. Hätte ich dies vorher gewusst, hätte ich mir vieles erspart! Der Beitrag ist gut, ich versuche es auf diese beschriebene Art.

    Antwort
  • 9. Dezember 2020 um 10:29
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    Danke für den Beitrag über Kletterrundrücken. Mein Bruder leidet schon länger an einem Rundrücken, der wahrscheinlich nach und nach durch regelmäßiges Klettern entstanden ist. Er wird demnächst eine Physiotherapie beginnen. Gut zu wissen, dass die Stärkung der Rückenmuskulatur gut für die Vorbeugung des Kletterrundrückens ist.

    Antwort
  • 19. Juni 2017 um 23:04
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    Danke für den Artikel!

    Eine vielleicht schon anderorts beantwortete Frage: Entsteht nicht durch das viele Greifen auch eine muskuläre Dysbalance in der Greifmuskulatur/Handmuskulatur?

    Man schließt die Hände immer nur, öffnet sie aber nie. Besonders nicht gegen Widerstand. Haben Kletterer auf Dauer dadurch Schmerzen?

    Danke und LG, Paul

    Antwort
  • 24. Oktober 2015 um 21:26
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    Ja Harry, ich gebe dir Recht: Eine Gewichtszunahme muss vermieden werden. Das Trainings sollte reduziert werden, wenn der Rücken stark genug ist, um wieder „gesund“ zu sein.

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  • 24. Oktober 2015 um 20:59
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    Muskuläre Dysbalancen sind die Crux nahezu jeder Sportart, da immer die sportartspezifische Muskulatur verstärkt trainiert wird (oft auch unbewusst). Dehnung, wie sie besonders in den 90 er Jahren Einzug in viele Sportarten und in Fitnessstudios hielt, ist nach meinem Dafürhalten sehr fragwürdig, da hierdurch ein Teil des Krafttrainings wieder zunichte gemacht wird. Ein Beispiel hierfür ist die CHRS – Methode (contract hold-relax-stretch). Wie soll es auch Sinn machen, durch Krafttraining tonisierte Muskulatur sofort wieder durch statische Dehnübungen zu „detonisieren“. Leichtathleten werden es wissen, dass nach einer zu langen Dehneinheit die Spritzigkeit verloren gegangen ist. Dehnen ist nur sinnvoll um die sportartspezifische Beweglichkeit zu erzielen; ist diese vorhanden, müssen die Antagonisten trainiert werden, um Fehlhaltungen und Verletzungen vorzubeugen. Sind diese dann stark genug, dann dehnen sie die Agonisten automatisch auf das richtige Maß und Themen wie Rundrücken etc. sind kein weiteres Thema mehr. Wie so häufig ist ein gesundes Mittelmaß der richtige Weg, d.h.: Runde schwunghafte Dehnübungen, bewußte Kontraktion der jeweiligen Gegenspieler-Muskulatur (Beispiel: Beide Hände hinter dem Kopf verschränken und dann die Ellbogen so weit wie möglich nach hinten führen, dabei die Spannung allmählich verstärken und im Anschluss entspannen). Auch häufiges Strecken, so wie mann es bei Katzen gut beobachten kann, ist sehr empfehlenswert. Einfach versuchen über mehrere Sekunden einzelne Gliedmaßen so weit wie möglich von sich zu strecken (dazu evtl. später mehr). Krafttraining ist selbstverständlich genauso sinnvoll um Dysbalancen zu beseitigen, wobei der Kletterer dabei eine eventuelle Gewichtszunahme befürchten muss, was wiederum heißt, das viele Bodybuilder Methoden zum Muskelaufbau hier fehl am Platze sind.

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