5 Strategien zum Schärfen der Konzentration um besser zu klettern!
Ein zentraler Aspekt beim Klettern ist die Konzentration. Für optimale Leistung am Fels und ein effektives Risikomanagement sind Techniken für eine mentale Fokussierung wichtig. Um eine beständige Konzentrationsfähigkeit zu entwickeln, solltest du diese in jeder Klettereinheit trainieren. Es geht sogar soweit, dass du in allen Bereichen deines Lebens einen hohen Level an Konzentrationsfähigkeit erlagen solltest um Ablenkungen zu vermeiden. Das heißt nicht nur beim Klettern, sondern auch in der Schule, im Studium und auf der Arbeit.
Hier sind fünf Techniken zur Verbesserung und Aufrechterhaltung der Konzentration vor und während des Kletterns – außerdem kannst du diese Strategien auch in alltäglichen Aktivitäten anwenden.
1. Befasse dich vor dem Klettern mit potentiellen Ablenkungen
Der erste und offensichtlichste Schritt die Konzentration während des Kletterns zu verbessern ist, sich präventiv mit möglichen Ablenkungen zu beschäftigen, bevor du in die Route einsteigst. Wenn du zum Beispiel weißt, dass Geräusche am Boden oder ein gesprächiger Sicherer deine Konzentration oft während des Vorstiegs stören, kannst du diese Angelegenheit als Teil deines Vorbereitungsrituals klären. Sag deinem Sicherer (oder Spotter), dass es dir wichtig ist, wenn er sehr aufmerksam ist und bitte andere Kletterer freundlich, sich ruhig zu verhalten bis du das Boulderproblem oder die Tour gemeistert hast.
Das Gleiche gilt bei der Arbeit, in der Schule oder überall sonst, wo du versuchst deinen maximalen Fokus zu erreichen. Schalte alle Mobiltelefone und störenden Hintergrundgeräusche ab. Lege dich im Vorfeld darauf fest, keine Emails zu checken und dich über eine gewisse Zeit von nichts ablenken zu lassen. Die Augen führen oft den Fokus. Geh also am besten irgendwohin, wo die Augen vor Ablenkungen aus der Umwelt oder anderen Reizen geschützt sind.
Interessant ist ein Forschungsergebnis, wonach klassische Barockmusik hilft, die Konzentration zu verbessern. Vor allem, wenn man eine große Menge an Informationen verarbeiten muss, hat sich gezeigt, dass musikalische Impulse, wie z.B. bei Bach, die Gehirnwellen derart beeinflussen, dass kreatives Denken, Problemlösung, Konzentration und Lernen verbessert werden. Einige Universitätsprofessoren spielen Barockmusik während der Vorträge und Prüfungen im Hintergrund. Unzählige andere (einschließlich des Autors) haben die Vorteile des Hörens klassischer Musik beim Schreiben, Lesen und Studieren, sowie mentaler Trainingsübungen wie Visualisierung für sich entdeckt.
Was ist mit anderen Arten von Musik – haben sie die gleichen positiven Auswirkungen auf die Konzentration? Vielleicht. Schneller getaktete Musik und Pop-Songs mit Texten haben großes Potential den mentalen Zustand zu ändern und während der Musik aus sich heraus zu gehen. Aber sie tendiert dazu, die Konzentration auf komplexe Aufgaben schwieriger zu machen. Zum Beispiel bin ich sicher, dass du im fließenden Verkehr auf einer vertrauten Straße die Lieder im Radio mitsingen, oder telefonieren kannst. Ich wette aber, dass bei chaotischen Verkehrsverhältnissen es manchmal notwendig ist das Radio auszuschalten (oder das Gespräch zu beenden), um die nächste Abfahrt nicht zu verpassen oder einfach um am Leben zu bleiben. Das gleiche gilt fast sicher auch beim Klettern oder irgendwelchen anderen komplexen Aufgaben – den Geist Musik oder Gesprächen zu unterwerfen wird die Konzentration verschlechtern, ob du es bemerkst oder nicht.
2. Benutze Rituale zur Fokussierung
Vorbereitende Rituale sind ideal, um den Fokus vor dem Klettern auf das Wesentliche zu verengen. Etabliere eine Reihe von Schritten und Abläufen in den Stunden und Minuten vor dem Klettern. Dadurch verinnerlichst du das Bewusstsein für deine Tätigkeiten und bleibst auf diese fokussiert. Beschäftige dich und deine Gedanken mit aufgabenrelevanten Prozessen. Zum Beispiel durch die Abfolge vom körperlichen Aufwärmen und Dehnen, gefolgt von einer vertrauten Vorgehensweise bei der Vorbereitung der Ausrüstung und Inaugenscheinnahme der Route. Dadurch sinkt die Gefahr dich äußerlich ablenken zu lassen, oder dich mit negativen Gedanken zu belasten.
In der gleichen Weise kannst du Rituale entwickeln, um deinen Konzentration in einem breiten Spektrum von Lebensaktivitäten zu stärken. Angesichts der Komplexität der Welt in der wir leben, und die Leichtigkeit, sich ablenken zu lassen, werden Rituale, die einem von Ablenkungen abhalten und den Fokus verbessern, nicht nur deine Konzentration in allem was du tust verbessern, sondern auch deinen mentalen Zustand in einer Weise erhöhen, so dass auch die Effektivität sämtlicher Aktivitäten verbessert wird. Es sollte keine Überraschung sein, dass die Spitzenleute in Sport, Wirtschaft und anderswo sich persönlich zugeschnittene Rituale verinnerlicht haben, um sich zu Fokussieren und ihre Augen und Ohren von Störquellen und möglichen Ablenkungen zu schützen.
3. Steuere mit Selbstgesprächen dein Unterbewusstsein
Bisher hast du gelernt, dass negative Gedanken deinem Selbstbewusstsein schaden und deine Konzentration beeinträchtigen. Daher ist es offensichtlich, dass proaktive und positive Gedanken oder Selbstgespräche für einen fokussierten und hochkonzentrierten mentalen Zustand unverzichtbar sind. Beispiele für nützliche Selbstgespräche sind einfache Verhaltensweisen wie:
- entspannen
- im Moment zu verbleiben
- zu atmen
- auf die Fußarbeit achten
- den Griff etwas lockern
Aber auch ermutigende Aussagen, wie:
- „ich schaffe diesen Zug“
- „ich liebe diese schweren Stellen“
- „ziehe weiter“
- „klippen“
- „noch ein weiterer Zug“.
Mit einem reichlich an positiven Gedanken gefüllten Unterbewusstsein haben es Ablenkungen von außen, oder negative Gedanken schwer, in deinen Gedankenfluss einzutreten.
Es gibt eine wichtige Besonderheit für das Lenken von effektiven Selbstgesprächen: Nenne Ereignisse, die nicht passieren sollen auch nicht beim Namen. Damit sind z.B folgende Aussagen zu dir selbst gemeint:
- „nicht nervös werden“
- „nicht fallen“
- „verweigere den Zug nicht!
- „keine Angst haben“
Diese Aussagen bringen den ungewollten Ausgang in dein Bewusstsein. Es ist daher wahrscheinlicher, gerade das, was du damit vermeiden wolltest, doch eintreffen zu lassen. Dieser Effekt wird auch der „Rosa Elefant Effekt“ genannt. Wenn du zu dir selbst sagst, denke nicht an einen rosa Elefanten, wirst du sofort einen solchen vor deinem geistigen Auge sehen! Derartige negativ gepolte Gedanken können als eine Form der Selbstsabotage angesehen werden. Sie sind mittlerweile für viele Leute sogar eine schlechte Angewohnheit bei Diskussionen und Besprechungen. Mache es zu deinem Ziel, dir eine neue Gewohnheit des Denkens anzueignen. Bemühe dich um ein größeres Bewusstsein für deine Gedanken, sowie eine bessere Qualitätskontrolle der Worte, die du zu dir selbst sprichst.
4. Konzentriere dich auf aufgabenrelevante Ziele
Ob sich die Konzentration in einem gewissen Zeitpunkt verengt oder verliert, hängt oft davon ab, wohin deine Augen blicken und auf welche Vision du dich fokussieren willst. Angenommen, du bist im Vorstieg unterwegs und wirfst einen Blick auf den Fels oder den Boden unter dir – bei der Verlagerung des Blickes nach unten öffnest du die Tür für visuelle Ablenkungen am Felsfuß oder kommst sogar ins Grübeln wegen der ausgesetzten Situation, in der du dich gerade befindest. Dabei trennst du den aufgabenrelevanten Fokus vom aktuellen Kletterzug und blockst zusätzlich die Konzentration auf die Körperspannung, Muskelspannung und deinen Gleichgewichtssinn. Die Auswirkungen auf die Leistung durch diesen Fokusverlust sind verringerte Bewegungseffizienz, erhöhte mentale Angespanntheit und Angst. Und damit auch leider eine erhöhte Chance, dass deine Nerven versagen, du deine Arme unnötig aufpumpst oder fällst.
Die besten Kletterer versuchen diese Kaskade an Ablenkungen zu vermeiden, indem sie sich voll und ganz auf die aufgabenrelevanten Ziele konzentrieren. Nur an einem guten Ruhepunkt oder Stand erlauben es sich diese Kletterer, ihre Gedanken etwas schweifen zu lassen. Mit diesem Expertenwissen erhältst du einen mächtigen Einblick wie Konzentration beim Klettern aufgebaut, und beibehalten wird – blicke mit deinen Augen nur auf Dinge, die in diesem Moment relevant sind! Im Speziellen sollte dein Blick nur auf die zu benutzenden Griffe gehen, das Sicherungsmaterial, das du platzierst und den Fels in deiner unmittelbaren Umgebung. Mache das zu deinem Klettermodus und vermeide während des Kletterns mit dem Blick hin und her zu schweifen. Damit wirst du einen neuen Level an Konzentration erreichen, der deine Kletterleistung schnell steigern wird.
Ein wichtiges aufgabenrelevantes Ziel, auf welches sich viele Kletterer nicht konzentrieren können, ist, das Setzen der Tritte. Es ist ein verbreitetes Problem, dass die Augen und der Kopf mit dem Auffinden von Griffen beschäftigt sind, aber das Finden der richtigen Tritte nur mit flüchtigen Blicken oder peripher getan wird. Wieder einmal kannst du von Top-Kletterern ein wichtige Lektion lernen, indem du beobachtest wie diese ihren Blick gezielt auf jeden Tritt richten. Selten suchen sie durch Fühlen nach Tritten. Stattdessen suchen sie gezielt nach Tritten und platzieren ihren Fuß direkt auf der besten Stelle des Tritts. Der gesamte Prozess dauert zwar nur ein oder zwei Sekunden, ist aber bei jedem Kletterzug ein deutlich sichtbarer Schritt, der mit höchster Präzision und Effizienz durchgeführt wird.
Vielleicht denkst du jetzt darüber nach, dass du diesen Prozess des exakten Tretens als eine gute Trainingsübung machen solltest. Absolut – mach genau das! Um mit dieser Trainingsübung am meisten für deine Fußarbeit herauszuholen, solltest du jeden Tritt als ein Ziel sehen, auf das du dich voll konzentrierst, es plastisch beobachtest und dann deinen Fuß präzise auf den besten Teil des Tritts setzt. Ebenso kannst du dazu übergehen jeden Griff bewusst mit allen Details in den Blick zu nehmen, damit er von dir bestmöglichst gegriffen werden kann. Indem du die einzigartige Form, Winkel, Tiefe und Oberfläche von jedem Griff erkennst, kannst du ihn optimal positioniert und mit minimalen Krafteinsatz greifen.
Ein letzter Tipp: Wenn du damit kämpfst die Konzentration aufrecht zu erhalten, dann fokussiere deinen Blick einfach auf die Griffe und Tritte direkt vor dir. Halte einen kurzen Moment inne und konzentriere dich dann voll, aber dennoch entspannt, auf deinen nächsten Griff. Beobachte die kleinsten Details des Griffes und freue dich über jedes neue Element. Diese einfache Fünf-Sekunden-Übung wird dich von Ablenkungen befreien und einen leistungsstarken Fokus schaffen, um dich mit hoher Effizienz weiter klettern zu lassen.
5. Sammele deine Gedanken für den Augenblick
Die Gedanken für den Augenblick bündeln zu können, losgelöst von Beurteilungen und Gedanken an das Ergebnis, ist ein immens starker mentaler Zustand. Ähnlich dem eines Zen-Meisters.
Es ist wichtig zu erkennen, dass dein Körper nur in der Gegenwart sein kann. Daher ist die unbezahlbare Geist-Körper Synchronisation, welche die Grundlage für Spitzenleistungen ist, nur möglich, wenn die Gedanken auch im gegenwärtigen Moment sind. An irgendetwas in der Vergangenheit oder der Zukunft zu denken macht die Geist-Körper Integration unmöglich und damit auch Spitzenleistungen im Sport.
Meditation oder ein Gebet sind ausgezeichnete Wege um die Gedanken zu beruhigen und sich auf den Moment zu konzentrieren. Wenn du dich gedanklich beruhigst und Ablenkungen eliminierst, wirst du dich auf ganz natürliche Weise auf die wichtigsten Sachen des Augenblicks konzentrieren. Auf den Fels bezogen bedeutet dieser, auf den Punkt bezogene Fokus, dass die Effektivität der Hand- und Fußarbeit, das Setzen von Sicherungen und das Risikomanagement verbessert werden. Sich auf den Moment zu konzentrieren erhöht die Durchstiegschancen deines Versuchs, auch weil die Leute um dich herum keine Macht mehr haben dich abzulenken – du wirst weiterklettern, als wärst du der einzige Mensch auf der Welt.
Übersetzt mit freundlichem Einverständnis von Eric Hörst von trainingforclimbing.com.
Originalartikel von Eric Hörst erschienen am 17.08.2016 auf trainingforclimbing.com |