Forschung zu Griffkraft und Hangboard-Trainingsprotokollen
Ich bin ein Forschungs-Junkie. Ich studiere die Übungsphysiologie, Sportpsychologie und die Motorik seit mehr als 25 Jahren. Die Sportwissenschaft des Kletterns ist zwar noch relativ jung, es gibt aber mittlerweile eine wachsende Zahl von Forschungsarbeiten. Diese helfen Trainern und Ausbildern für die Praxis Techniken und Trainingsprotokolle auszuwählen. Die gerade veröffentlichte 3. Auflage meines Buches „Training for Climbing“ enthält ein vollständiges Kapitel über die Physiologie des Kletterns. Aber auch in den Kapiteln über Training, Kraft und Ausdauer wird anhand der derzeitigen Kletterwissenschaft aufgezeigt, wie du für optimale Ergebnisse trainieren solltest.
Die Mitglieder der International Rock Climbing Researchers Association (IRCRA) sind führend auf dem Gebiet der Kletterforschung. Daher fühle ich mich geehrt, einen Grundsatzvortrag auf dem jüngsten IRCRA Symposium in Telluride, Colorado gehalten haben zu dürfen. Viele der weltweit führenden Forscher waren dabei und präsentierten ihre neuesten Forschungsergebnisse und begrüßten eine offene Diskussion – eine unschätzbare Gelegenheit für Trainer wie mich! Für die Klettergemeinschaft ist es ein Glück, dass diese Wissenschaftler unseren Sport im Labor vorantreiben.
In einem künftigen Artikel werde ich einen Überblick geben über meine Präsentation „Die Wissenschaft zu Trainern und Kletterern bringen“ (sowie über einige der anderen ausgezeichneten Präsentationen von Forschern). Im Folgenden werde ich zunächst kurz zusammenfassend drei Papiere vorstellen, welche auf dem Symposium präsentiert wurden. Diese liefern Hinweise auf die Bedeutung der Fingerkraft und die Vorteile eines gezielten Griffbretttrainings.
Korrelation zwischen der relativen Spitzenfingerkraft, der isometrischen Fingerkraft und der Rate der Fingerkraftentwicklung auf die Kletterleistung
(V. Veredie, J. Kalland, A.K. Solbraa, V. Anderson, A.H. Saeterbakken – Sogn og Fjordane Universität, Norwegen)
Ein Handkraftmessgerät (Hand-Dynamometer) ist das beliebteste Instrument zur Messung der Griffkraft unter den Physioforschern. Interessanterweise korreliert diese Methode der Messung der Griffkraft eines Kletterers nicht (0,34) mit der Kletterleistung, wie in dieser Studie bestätigt wird. Das „Quetschen“ des Dynamometers (zwischen den Fingern und der Handfläche) ist zu unspezifisch, im Vergleich dazu, wie die Fingerbeuger beim Klettern die Kraft entwickeln. Daher ist das Handkraftmessgerät nicht geeignet, um die Griffkraft/Handkraft von Kletterern zu testen. [Fettschrift zeigt Korrelation (r).]
Bei der kletterspezifischen Prüfung (mit einer 23mm-Leiste auf einem Metolius „Wood Grips“ Griffbrett) zeigte diese Studie jedoch signifikante Korrelationen zwischen der Kletterleistung und der relativen Spitzenkraft (0,77*), der relativen maximalen isometrischen Kraft (0,73*) und der Rate der Kraftentwicklung (0,61*). Von den fünf Tests, die in dieser Studie untersucht wurden, war es der „Maximum Finger Hang“ (0,83*), der am höchsten mit der Kletterleistung korrelierte. Darüber hinaus korreliert der „Maximum Finger Hang“ stark mit der relativen Spitzenfingerkraft (0,85*) und der relativen maximalen isometrischen Kraft (0,84*).
Diese Ergebnisse zeigen, dass die relative Spitzenkraft, die relative maximale isometrische Kraft und die Rate der Kraftentwicklung, gültige Labortests für die Prognose der Kletterleistung sind. Für die Kletterhalle ist der „Maximum Finger Hang“ ein gültiger (und einfach zu messender) Test für die längerfristige Protokollierung der kletterspezifischen relativen Fingerkraft und der Voraussage der Kletterleistung. Das Zlagboard Trainingssystem ist dabei eine einfach zu bedienende Test- und Trainingsplattform für die präzise Messung der maximalen Hangzeit. Und das auf kontrollierte und reproduzierbare Weise, an verschieden großen Leisten und Löchern.
Verbesserung der Fingerkraft mit dem Rock Prodigy Training Center (RPTC) Hangboard
(Michael L. Anderson & Mark L. Anderson)
In dieser Studie wird das RPTC-Trainingsboard durch Vergleich der Kletterleistung vor und nach einem Trainingsprogramm beurteilt, quantifiziert in Form von Fingerkraftentwicklung und Gesamtkletterleistung.
Für den Test mit dem RPTC wurden Trainingsdaten von 118 Teilnehmern ausgewertet. Das Training bestand aus mehreren Sätzen von beidarmigen „Dead-Hang-Repeaters“, auf die eine vorbestimmten Sequenz von Griffen folgten. Die Intensität kann erhöht oder verringert werden, indem zusätzliche Gewichte am Klettergurt angebracht werden, oder durch die Verwendung einer Umlenkrolle mit Gewicht, das den Sportler unterstützt. Dieses Gewicht wird auch verwendet, um die Fingerkraft des Athleten zu quantifizieren. Die Teilnehmer dokumentierten ihre gewichtsabhängigen Fähigkeiten (ihr Körpergewicht plus/minus jedes addierte/subtrahierte Gewicht) an spezifischen Griffen zu Hängen. Die Dokumentation geschah durchgehend während des Trainingsprogramms. Außerdem dokumentierten die Teilnehmer ihre persönlichen Kletterbestleistungen vor und nach dem Trainingsprogramm.
RPTC „Repeater“ Trainingsprotokoll
- Trainiere drei bis sieben verschiedene Griff-Typen mit einem (Einsteigerlevel) bis drei (Fortgeschrittenenlevel) Sätzen von Repeatern pro Griff.
- Jeder Satz der Repeater besteht aus 6 Hang-Pause-Intervallen bestehend aus einem 7 Sekunden Hang gefolgt von 3 Sekunden Pause. Benutze eine submaximale Menge an Zusatzgewicht, um jeden Hang anspruchsvoll zu gestalten. Aber nicht zu schwer, so dass der komplette Satz an Repeatern durchgeführt werden kann.
- Mache drei Minuten Pause zwischen den Sätzen.
Ergebnisse: Die Teilnehmer berichteten von subjektiven qualitativen Verbesserungen sowie einer signifikanten Steigerung der Gewichte bei den Hang-Fähigkeiten. Die durchschnittliche Steigerung der Fingerkraft in der ersten vierwöchigen Trainingsphase betrug 21,5%. Über mehrere Trainingsphasen konnte eine Gesamtverbesserung von 32% ermittelt werden. Daher ist das RPTC ein wirksames Programm zur Verbesserung der Fingerkraft und der Kletterleistung.
Vergleich der Wirkung von drei Hangboard-Trainingsprogrammen auf die maximale Fingerkraft von Kletterern
(E. López-Rivera – Pablo de Olivine Universität, Seville, Spanien)
Eva López-Rivera ist der Rockstar der Hangboard-Trainingsforschung. Sie hat auch zwei neue Trainingsboards mit dem Namen „Progression“ und „Transgression“ entworfen. Eva hat das Training am Trainingsboard vielen Jahren erforscht und verschiedene Trainingsprotokolle und Trainingsprogramme untersucht.
In dieser Studie verglich Eva drei Trainingsprotokolle zur Erhöhung der Fingerbeugungsstärke:
- Hängen am Board mit geringem Volumen aber maximalkräftig, mit langen Ruhepausen zwischen den Hängen.
- Ein mittleres Volumen von submaximalen Hängen mit unvollständiger Ruhepause zwischen den Hängen.
- Eine Kombination der Verfahren # 1 und # 2.
Als Maß für die maximale Fingerkraft wurden die 26 Teilnehmer (durchschnittliche Rotpunkt-Fähigkeit von 5,13a / b [≙UIAA: 9+/10-]) vor Studienbeginn getestet und nach der Studie das maximale addierte Zusatzgewicht während des Hangs an einer 15mm Kante für 5 Sekunden ermittelt.
Trainingsprotokolle & Ergebnisse
- Gruppe 1 – Niedriges Volumen mit maximalen Gewicht und vollständiger Ruhe. Acht Trainingswochen mit 3 bis 5 mal für 10-Sekunden mit Maximalgewicht hängen, gefolgt von einer 3-minütigen Pause. Ergebnisse: Durchschnittlicher Kraftzuwachs von 15,2% nach 4 Wochen und 28% nach 8 Wochen Training.
- Gruppe 2 – Mittleres Volumen mit submaximalen Gewicht und unvollständiger Ruhe. Acht Wochen Training mit 3 bis 5 Sätzen „Repeatern“ bestehend aus 4 bis 5 mal 10 Sekunden submaximalen Hang mit 5 Sekunden Pause zwischen jedem Hang. Jedem Satz eines Repeaters folgte eine einminütige Pause, bevor mit dem nächsten Satz von 4 bis 5 Wiederholungen begonnen wurde. Ergebnisse: Durchschnittlicher Kraftzuwachs von 4,6% bzw. 13,9% nach 4 bzw. 8 Trainingswochen.
- Gruppe 3 – Das Trainingsprotokoll der Gruppe 1 für vier Wochen und dann das Protokoll der Gruppe 2 für vier Wochen. Ergebnisse: Durchschnittlicher Kraftzuwachs von 20,6% nach 4 Wochen Maximalgewichtstraining, 6% dieser Kraftgewinne gingen jedoch nach den 4 Trainingswochen mit submaximalen Hängen wieder verloren.
Schlussfolgerung
Während regelmäßiges Training am Trainingsboard für Kletteranfänger nicht geeignet ist, ist es für fortgeschrittene und extreme Kletterer eine gute Strategie, um die Fingerkraft und die Kletterleistung zu verbessern. Die beliebten „Repeater“ Trainingsprotokolle mit submaximalem Gewicht erzielen signifikante quantitative und qualitative Zuwächse … und können optimal für das Training der Kraftausdauer sein. Die Ergebnisse dieser Studien deuten darauf hin, dass das niedervolumige Maximalkraft-Hangboardprotokoll am effektivsten für die Erhöhung der Fingerbeugekraft ist und auch die relative Spitzenfingerkaft und maximale relative isometrische Kraft positiv beeinflusst.
Übersetzt mit freundlichem Einverständnis von Eric Hörst von trainingforclimbing.com.
Originalartikel von Eric Hörst erschienen am 19.10.2016 auf trainingforclimbing.com |
Vielen Dank für den informativen Artikel! Ausgezeichnet Tipp.
Sehr interessanter Artikel. Ich denke es kommt auch sehr auf die Zielsetzung an. Ein Kletterer hat andere Ansprüche im Vergleich zu jemandem, der einen gesunden Händedruck sucht.
Hallo Zusammen,
leider steht in dem Artikel nicht, wie oft die Testprobanden pro Woche oben genanntes Training absolviert haben. 1x, 3x oder 7x.
Das spielt sicherlich eine entscheidene Rolle für das Ergebnis und macht es dem Nachamer auch einfacher, ein solches Programm für sich zu gestalten.
Daher meine Frage ob es recherchierbar ist, wie oft die Testprobanden pro Woche das Fingerkrafttrainging absoviert haben?
Viele Grüße
Robert
Hallo Robert!
Gute Frage! Für die RPTC Studie habe ich das Forschungspapier gefunden: https://rockclimberstrainingmanual.files.wordpress.com/2013/12/a-novel-tool-and-training-methodology-for-improving-finger-strength-in-rock-climbers_published-version.pdf
Dort steht auf Seite 5, dass innerhalb von 4 Wochen von den Probanden 8-10 Workouts durchgeführt wurden. Also gute zwei Einheiten pro Woche.
Für die beiden anderen Studien wäre das auch interessant zu Erfahren. Mal sehen was ich machen kann!
Viele Grüße,
Christoph
Hi Frank,
Volumen dürfte die Gesamtbelastung aus verschiedenen Übungen, Sätzen und Hangzeit bedeuten. Wobei Übungen die verschiedenen Griffarten sind.
Also z.B bei einem Maximalkraftprotokoll:
6 verschiedene Griffarten mit jeweils 4 Sätzen und 6 Sekunden Hangzeit => mittleres Volumen
10 verschiedene Griffarten mit jeweils 6 Sätzen und 6 Sekunden Hangzeit => großes Volumen
Viele Grüße
Christoph
Was bedeutet Volumen in diesem Zusammenhang?