Kraftausdauer #3 – Trainingsmöglichkeiten für Fels UND Halle!
Nachdem in den ersten beiden Beiträgen zur Kraftausdauerserie gewisse Grundlagen geklärt wurden, soll es jetzt praktisch werden: Ich will dir heute drei Möglichkeiten des Kraftausdauertrainings für Fels und Halle mit an die Hand geben!
Gleich vorneweg lässt sich sagen, dass es eine sehr große Auswahl an Spielarten und Möglichkeiten zum Kraftausdauertraining gibt. Beispiele dazu wären:
- Routenspulen mit Seil in verschiedenen Variationen
- Bouldertraversen
- Boulderzirkel
- 4×4 Kraftausdauertraining mit Bouldern
- Kraftausdauertraining am Griffbrett: Short- und Long Duration Repeaters
- auch am Campusboard ist Kraftausdauertraining möglich
Aber keine Angst: Es geht sicher nicht darum, alle Möglichkeiten einzusetzen und ich muss auch sagen, dass einige besser als andere sind: Das Seilklettern z.B. ist für die Kraftausdauer schon sehr wesentlich, die Griffbrett Repeaters hingegen sollten, wenn überhaupt, nur zusätzlich dazu eingesetzt werden. Auch geht es darum, die beste Trainingsvariante für sich zu finden, die du auch praktikabel umsetzen kannst, also bei der du die nötige Infrastruktur dafür hast.
Folgende Umstände spielen eine Rolle:
- Fürs Klettern mit Seil braucht man einen Sicherungspartner, der sich zur Verfügung stellt, oder das gleiche Interesse hat
- Geeignete, homogen schwere Routen (am besten ohne schwere Einzelstelle) im richtigen Schwierigkeitsgrad zu kennen
- eine 30° oder 45° Trainingsboulderwand, mit der Möglichkeit selbst Boulder definieren zu können, zur Verfügung zu haben
- geeignete Bouldertraversen – für die Halle gilt: Es darf nicht so viel los sein, sonst zieht man schnell den Ärger auf sich, wenn man mit den Traversen sämtliche andere Boulder blockiert.
- Trainingsboard/Campusboard steht zur Verfügung
Heute will ich die ersten drei Möglichkeiten vorstellen: Diese sind alle drei sowohl am Fels, als auch in der Kletterhalle machbar.
Möglichkeit 1 und mein Favorit: 2 bis 3 verschiedenen Routen im Toprope spulen
Eine der effektivsten Möglichkeiten und eine, die darüber hinaus auch noch viel Spaß macht, ist das Routenspulen im Toprope. Dazu muss man sich 2 bis 3 geeignete Routen suchen, die man dann mehrmals hintereinander mit einer sinnvollen Pausengestaltung klettert. Meiner Meinung nach sollte das Ziel sein, hinterher einen sehr guten (evtl. sogar maximalen) Pump in den Unterarmen zu haben. Darauf sind auch die Parameter Routenauswahl, Pausenzeit und Wiederholungen abzustimmen. Da im Toprope geklettert wird, spielt Sturzangst keine Rolle und es kann sich ganz auf die Kraftausdauer und Technik konzentriert werden.
Auswahlkriterien und Gestaltung:
- Kletterdauer: 1 1/2 Minuten und länger
- Durchgänge: 4-8
- Pause: 2 Minuten bis 5 Minuten
- Schwierigkeitsgrad: ca. 5-6 UIAA Teilgrade unter der Rotpunkt Maxleistung: Also wenn ich 9+ Max Leistung habe, dann Touren im Bereich 7+/8-
Der Grund, warum die Bandbreite der Kletterdauer, Durchgänge und Pausenzeiten so groß und ungenau ist, ist dass man so das Training optimal an die Schwierigkeiten der gewählten Routen anpassen kann, um eine perfekte Ausbelastung zu erreichen. Beim Intervalltraining für einen 400m Läufer ist die Sache etwas anders, da die zu rennende Strecke auf der Leichtathletikbahn immer gleich ist, kann man hier z.B. mit viel genaueren Pausenzeiten zwischen den Läufen arbeiten! Aber beim Routenspulen lässt sich das dafür über die Pausenzeit und Anzahl der Durchgänge super anpassen! Die Pausenzeit sollte z.B. so gewählt werden, dass man den Umlenker jedes mal erreicht und im letzten Durchgang kurz davor scheitert. Weitere Anpassungsmöglichkeit: Schüttelstellen auslassen, oder nicht komplett ausnutzen. Da man (vielleicht bis auf die erste Route) alles im Toprope klettert, kann man sich voll und ganz auf die Kraftausdauer und Klettertechnik konzentrieren!
Die Tourenbeispiele (Neidensteiner Wand) im Video und ein optimales Szenario, wenn man sich die Kraftausdauer für den oberen 9. Grad holen will:
- Kletterdauer „Beschissene Geschenke“,8-: ca 140 Sekunden
- Kletterdauer „Giovanni Koralli“, 8-: ca. 140 Sekunden
- Kletterdauer „Flussigel“, 7+: ca. 140 Sekunden
Das Problem: Sicherlich ist es zumindest draußen nicht so leicht, eine Wand zu finden, in der zwei oder sogar drei gleich schwere, homogene Routen im passenden Schwierigkeitsbereich direkt nebeneinander liegen und damit im Toprope zu begehen sind. Und wenn man die passende Wand dafür gefunden hat, muss man auch noch die Kletterpartner finden, die dort mit hingehen. In der Halle etwas leichter möglich, die passenden Routen zu finden.
Möglichkeit 2: Rotpunktklettern
Die zweite Möglichkeit ist es, eine (geht auch mit verschiedenen) Route mehrmals im Vorstieg hintereinander klettern. Auch hier muss wieder der richtige Mix Klettertour, Anzahl der Durchgänge und Pausenzeit ausgetüftelt werden!
Auswahlkriterien und Gestaltung:
- Kletterdauer: 1 1/2 Minuten und länger
- Durchgänge: 3-6
- Pause: 2 Minuten bis 20 Minuten
- Schwierigkeitsgrad: ca. 2-6 UIAA Teilgrade unter der Rotpunkt Maxleistung: Also wenn ich 9+ Max Leistung habe, dann Touren im Bereich 7+ bis 9-
Das Tourenbeispiel im Video ist hier „Danny de Vito“, 8+ an Schlosszwergwand und hat eine Kletterdauer von ca. 80 Sekunden. Die Route ist also eher etwas zu kurz und die Kletterbelastung zwischen links und rechts ist etwas unsymmetrisch – also eine Route, die sich nicht 100% zum Kraftausdauertraining eignet. Aber nach einem langen Boulderwinter war sie für mich dennoch passend für die erste Kraftausdauereinheit.
Eine entsprechend passende Route sollte für diese Art von Kraftausdauertraining relativ leicht zu finden sein! Über die Pausenzeit und Anzahl der Durchgänge lässt sich das auch schön anpassen! Die Pausenzeit sollte z.B. so gewählt werden, dass man den Umlenker jedes mal erreicht und im letzten Durchgang kurz davor scheitert. Weitere Anpassungsmöglichkeit: Schüttelstellen auslassen, oder nicht komplett ausnutzen.
Möglichkeit 3 Bouldertraversen
Eine weitere gute Möglichkeit fürs Kraftausdauertraining, aber meiner Meinung nach nicht die Beste, sind Bouldertraversen. Warum nicht die Beste? Das seitliche queren an Griffen fühlt sich doch anders an, als die vertikale Kletterei, für die ich persönlich ja das Kraftausdauertraining eigentlich mache! Aber Bouldertraversen sind dennoch eine gute Möglichkeit fürs Kraftausdauertraining, vor allem, wenn kein Sicherungspartner zur Verfügung steht!
Auswahlkriterien und Gestaltung:
- Kletterdauer: 1 1/2 Minuten bis 3 Minuten
- Je nach Kletterdauer und Schwierigkeit dann 4-8 Durchgänge:
- Pause: 2 Minuten bis 6 Minuten
Für Draußen gilt: Man muss auch hier erst mal angemessenen Bouldertraversen finden und kennen, aber dann ist das Training auch alleine machbar, man ist nicht auf einen Sicherungspartner angewiesen. In der Halle lassen sich sicherlich leicht passende Bouldertraversen finden. ABER: Je nach Betrieb kann es schwierig werden, die Traversen auch zu klettern, es sei denn man hat nichts dagegen den Unmut der anderen Gäste auf sich zu ziehen! Also wenn viel in der Halle los ist, bietet sich das Traversieren nicht an.
Wie weit soll man grundsätzlich mit dem Pump oder der Ausbelastung gehen?
Das Thema ist etwas kontrovers und die Meinungen gehen auch unter den Experten etwas auseinander. Meiner Erfahrung nach ist es um so effizienter, je stärker ich an mein Limit gehe. Allerdings bin ich kein Spezialist für Kraftausdauerrouten, sondern mein Fokus für Rotpunktbegehungen liegt eher im Bereich von 10 bis 20m der typischen fränkischen Kletterei. Ich trainiere daher die Kraftausdauer auch nicht ganzjährig, sondern maximal 2x gezielt auf einen Höhepunkt im Frühjahr oder Herbst hin. Interessant an dieser Stelle ist auch, dass ich mit einer rein aeroben Ausdauerbelastung, wie das Mehrseillängen-Klettern von bis zu 300 Meter langen Touren in Arco keinen, wirklich keinen spürbaren Effekt auf die Kraftausdauerleistung für die pumpigen kurzen Routen im Frankenjura feststellen konnte!
Wie geht es weiter mit der Serie?
In den nächsten Beiträgen werden weitere Spielarten für das Kraftausdauertraining an der Indoor Boulderwand (4×4, Zirkelintervalle) vorgestellt. Danach folgen auch noch die Griffbrett Short und Long Repeaters für das Kraftausdauertraining am Trainingsboard!
Video
Der Artikel als Video:
Hallo Christoph,
erstmal vielen Dank für all die Videos und Beiträge-sehr cool!
Allerdings bin ich in diesem Artikel etwas stutzig geworden: bzgl. der Intensität für Ausdauereinheiten schreibst du „um so effizienter, je stärker ich an mein Limit gehe“.
Nun habe ich Im Buch „Klettertraining“ von Udo Neumann genau das Gegenteil gelesen: nämlich, dass der Pump auf einer Skala von 0-5 bei maximal 1 sein sollte, also kaum gepumpt. Er begründet das damit, dass die gesteigerte Kapillarisierung mit zunehmendem Pump nicht mehr stattfindet.
Das macht, ähnlich wie deine Argumentation für mich auch Sinn.
Mich würde interessieren, wie du das siehst?
Ich freue mich schon auf eine Rückmeldung, vielen Dank und weiter so,
Steffen
Hallo Steffen,
ja, dass habe ich damals bei Udo Neumann auch gelesen. Aber meine Erfahrung zeigt einfach was anderes: Je mehr ich über den Schmerz (Pump) gehe, desto besser waren die Ergebnisse später. Der Scherz (Pump) geht aber auch zunehmend zurück, je besser man in diesem Bereich (Kraftausdauer) trainiert ist. Wenn ich z.B. übers moderate, aber viele Boulder hindereinander nur einen mäßigen Pump bekommen, dann hat mir das für die Kraftasudauer beim Seilklettern kaum was gebracht. So zumindest meine klare subjektive Erfahrung.
Ich glaube mich zu erinnern, dass in anderern Bücher (Eric Hörst oder McLeod) auch geschrieben wurde, mann sollte über einen starken Pump gehen.
Viele Grüße
Christoph
Das Neumann-Buch ist glaube ich schon ein bischen älter, oder? Zumindest hat er diese These auch schon in seinem ersten Werk vertreten.
Das Problem ist halt, dass
1) Du dann „ewig“ im leichten Gelände rumhampeln musst um einen Effekt tzu erzielen ==> zeitlich ineffektiv,
2) nicht nur die Kapillarisierung hilft sondern auch eine schnellere Biochemie (anaerobe Abbauprodukte weg, …).
Ich bin auch der Meinung, dass man mögllichst nah am „echten“ Ausdauerklettern trainieren sollte fürs Ausdauerklettern, am Besten leicht drunter in Routen. Wenn ich also für einen Ausdauer 8er trainiere, tute ich das in einer Ausdauertour (7?) , wo ich halt „gerade“ durchkomme mit nicht zu langer Pausenzeit (max. 5 Minuten).
Was auch viel bringt sind so ca. 16-Zug-Boulder – oft findet man selbst in spanischen 40m Ausdauerhämmern zwischendrin doch wieder den einen oder anderen Ruhepunkt.
Das wichtige bei diesem Training ist, dass die Erholungspause nicht ganz vollständig sein darf, bevor Du das nächste mal einsteigst – egal ob 10-, 20 oder 30-Zug Boulder oder Route. Nur so befindest Du dich „immer“ im gepunpten Zustand, an den der Körper sich gewöhnen und anpassen soll. Die Länge sollte dann wieder möglichst Deinem Zielbereich/Projekt entsprechend sein.
Wann kommen die nächsten Artikel mit dem 4×4, Zirkelintervallen und Griffboardtraining? Warte schon hart drauf, also mach mir ein Weihnachtsgeschenk 🙂
🙂 Ich komm grad mit all meinen Verpflichtungen nicht so hinterher! Ein Video gibts aber schon: https://youtu.be/66KORo3mPiA