Die 8 schwersten Fehler der Trainingsplanung und Gestaltung
Über einen Basistrainingsplan hinaus wird die Trainingsplanung immer indivdueller. Auch gilt: den generell richtigen Trainingsplan gibt es natürlich nicht – jeder braucht immer wieder einen eigenen, auf die eigenen Bedürfnisse angepassten Trainingsplan, der auch immer nur eine gewisse Zeit richtig ist und dann auch wieder angepasst werden muss!
Daher will ich in diesem Beitrag die schwerwiegendsten Fehler bei der Trainingsgestaltung und Planung ansprechen, die meiner Meinung nach oft gemacht werden.
Denn viele Kletterer und Boulderer trainieren falsch und nutzen ihre Zeit nicht optimal bzw. sie verschwenden sie sogar im Extremfall!
1. Blinde Flecken
Mit „Blinden Flecken“ meine ich, dass viele Kletterer gewisse Aspekte und Möglichkeiten des Trainings komplett weglassen. Zum Beispiel lassen sehr viele Kletterer ein gezieltes Beweglichkeitstraining für den Unterkörper komplett weg! Mal ein bisschen andehnen vor dem Bouldern lasse ich da als Training nicht gelten – Beweglichkeit sollte mindestens 3x pro Woche gezielt in 15 bis 20 Minuten Einheiten trainiert werden.
Was bei vielen für das Beweglichkeitstraining gilt, gilt bei anderen für das Athletik und Körperspannungstraining. Bei manchen Seilkletterern ist hingegen das Bouldern so ein blinder Fleck. Bei weiter fortgeschrittenen Athleten wird hingegen oft kein spezifisches Fingermaximalkrafttraining am Griffbrett oder Campusboard gemacht.
Was sollte also mindestens in jeder Woche in jedem Trainingsplan drin sein:
- Zwei Einheiten Klettern und/oder Bouldern
- Eine Athletik- und Körperspannungseinheit für 40 bis 60 Minuten
- Drei mal Beweglichkeitstraining für 15 bis 20 Minuten pro Woche
Wie gesagt, dass sind die Mindestanforderungen an eine gute Trainingsplanung, mit der man aber schon sehr weit kommt, wenn man das regelmäßig durchzieht. Natürlich können die Umfänge und die Häufigkeit der Einheiten auch noch extrem ausgeweitet werden!
Wenn jemand allerdings ohne Beweglichkeitstraining einen Spagat schafft oder ohne Athletiktraining 30 Klimmzüge wegzieht,und solche Leute gibt es, dann kann man sich das entsprechende Training natürlich sparen.
Für fortgeschrittene Athleten ab den 9. Grad UIAA ist in der Regel zusätzlich ein spezifisches Fingermaximalkrafttraining pro Woche für 40 bis 60 Minuten am Griffbrett zu erwägen. Es sei denn die Fingermaximalkraft gehört zu den Stärken.
2. Nur die Stärken Trainieren (das was Spaß macht)
Beispiele:
- Obwohl du schon einen Spagat kannst, dehnst du dich trotzdem nach jedem Training noch ausführlich! Obwohl du tief in deinem Inneren vermutlich weißt, dass dir etwas Athletiktraining sicherlich besser tun würde…
- Du schaffst 25 Klimmzüge am Stück! Nicht schlecht – aber schließlich tust du auch alles dafür und trainierst diese mehrmals die Woche – 30 Klimmzüge sind das Ziel! Aber andere wichtige Übungen die in die Richtung Hangwaage oder der Muscle-Up gehen, werden vernachlässigt. Genau so wie die Beweglichkeit.
Also, auch wenn du an deinen Stärken weiter dran bleiben solltest: Lege deutlich mehr Wert darauf, deine Schwächen zu trainieren!
3. Zu wenig Abwechslung / Immer das gleiche Trainieren!
Sowohl was die Art der Einheiten betrifft: Es sollten also Klettern/Bouldern, Athletik, Körperspannung, Beweglichkeit und ab einem gewissen Leistungslevel auch spezifisches Griffkrafttraining in einem ausgewogenen Trainingsplan dabei sein! Und das als eigene Trainingseinheiten und nicht noch schnell ans Ende einer Bouldereinheit dran gequetscht!
Aber auch innerhalb der verschiedenen Arten von Training muss für Abwechslung gesorgt werden: Also in einer Athletik und Körperspannungseinheit nicht nur immer die gleichen Übungen wie normale Klimmzüge und Sit-Ups machen, sondern auch andere Übungen regelmäßig mit einbauen und ausprobieren und sie schließlich zu meistern!
Eine gute Athletik und Körperspannungseinheit beinhaltet Übungen, die folgende Aspekte abdecken:
- Athletik – wie z.B. Klimmzüge
- Körperspannung – wie z.B. Aufroller oder wers schwer will und kann: die Hangwaage
- Explosivkraft – wie z.B. Chest-Pump Pull-Ups oder der Muscle-Up
- Antagonistentraining – wie z.B. der Handstand oder der Trapezius Block
- Koordinative und propriozeptive Aspekte – wie z.B. die Human Flag oder leichter, Reverse Balance am Boden
Fehlt die Abwechslung und du bolzt immer nur die gleichen Übungen, dann verschwendest du viel Energie und Zeit und läufst zudem noch in die Gefahr, dir Überlastungsprobleme und Verletzungen zuzuziehen!
4. Aus Trotz „Dogmen“, „Tabus“und „Blinde Flecken“ entwickeln
Beispiele:
- Beweglichkeitstraining/Dehnen? Nicht mein Ding, ich kletter auch so richtig schwer!
- Ich klettere sogar 9er Touren nach der UIAA Skala und kann dabei keinen einzigen Klimmzug! Mal sehen, ob ich sogar eine 9+ ohne Klimmzugtraining schaff! Geht ja schließlich alles mit der richtigen Technik!
- Griffbretttraining kommt für mich grundsätzlich nicht in Frage, da langweilig. Außerdem bin ich auch ohne bis in den 10. Grad geklettert..
- Ich kann tun was ich will, ich schaff einfach keinen einzigen Muscle-Up und das obwohl ich mehrere einarmige Klimmzüge schaff! Aber sieh doch selbst: Ein Muscle-Up geht bei mir einfach nicht!
- Dynamisch klettern? Viel zu wild – ich mache alles ganz akkurat statisch und sauber! Lieber mal den Boulder nicht geschafft, als dass mir unkontrolliert die Füße kommen!
- Mein Motto: Auch ohne Training gut!
5. Immer auf Top-Niveau klettern wollen – fehlende Periodisierung
Eine im Klettern weit verbreitete Ansicht ist es, immer auf nahezu Top-Niveau klettern können zu wollen, zumindest was den eigenen Leistungslevel betrifft. In anderen Sportarten ist es hingegen viel öfter üblich, gewisse Schwerpunkte im Jahr zu setzten und sich auf diese gezielt vorzubereiten.
Zu Beginn steht meisten ein mehrwöchiges Aufbau und Grundlagentraining, um an der Kraft und Physis zu arbeiten. Diese Art von Training wird aber für eine gewisse Zeit den Leistungslevel deutlich reduzieren.
Für Sportler in anderen Sportarten stellt das meist keine Problem dar, da sowieso keine Wettkämpfe anstehen. Beim Klettern ist es aber so, dass man ja trotzdem in der Boulder- Kletterhalle oder am Fels von anderen gesehen wird. Und wenn man dann da seine übliche Leistung nicht bringt, stellt dass für viele ein persönliches oder psychologisches Problem dar!
Allerdings ist es meiner Meinung nach von absoluter Bedeutung, nach dem Trainingsprinzip der Periodisierung, neue Kraft und Grundlagenathletik in der ersten Phase eines neuen Trainingszyklus zu erwerben, um dann wenige Monate später das Kletterniveau auf einen neuen persönlichen Level heben zu können!
6. Immer die gleiche Art von Boulder/Touren klettern
Auch das geht in die Richtung „Nur die eigenen Stärken zu trainieren“. Um aber vor allem technisch im Klettern besser zu werden, solltest du so viel verschiedenes Zeug wie möglich Klettern und Bouldern:
Also verschiedene Neigungen (von sehr steil bis senkrecht), verschiedene Längen (ausdauernd oder maximal kräftig), verschiedene Griffformen (Löcher, Leisten, Sloper, Zangen), athletische Kletterei genauso wie technische Kletterei, dynamische Züge genauso wie vorsichtige Gleichgewichtsverschieberei!
Genauso hilft es verschiedene Klettergebiete zu besuchen oder verschiedene Kletter- und Boulderhallen! Und auch die Trainings- und Kletterpartner wechseln, bringt neue Ideen!
7. Für den eigenen Leistungslevel unangemessene Trainingsmittel einsetzen
Du setzt für deinen Leistungslevel ein unangemessenes Trainingsmittel oder Methode wie das Campusboard ein. Du kletterst zum Beispiel im 7. oder 8. Grad der UIAA Skala und trainierst schon am Campusboard, aber machst kein gezieltes Training für die Athletik, Körperspannung oder Beweglichkeit.
8. Vergessen die Grenzen zu verschieben
Und zuletzt: Vergessen die Grenzen zu verschieben: Auch wenn dieser Punkt im Gegensatz zu Punkten wie „Abwechslungsreich trainieren“ steht:
Manchmal musst du an gewissen Übungen, wie den Klimmzügen dran bleiben und neue persönliche Rekorde knacken. Hast du dann deinen persönlichen Rekord von zum Beispiel 15 Klimmzügen nach einer guten Trainingsphase auf 20 Klimmzüge gesteigert und merkst, dass es eher wieder schlechter als besser wird und du sozusagen stagnierst, dann ist es an der Zeit von diesem Ziel abzulassen und ein Neues ins Visier zu rücken!
Das Klimmzugtraining solltest du aber deswegen keinesfalls ganz einstellen, sondern du solltest über einen gewissen Zeitraum versuchen, den Leistungslevel einigermaßen zu erhalten, um dann nach ein paar Wochen oder Monaten der Stagnation einen neuen Anlauf zu neuen Rekorden zu starten.
In dieser Phase solltest du aber an einer anderen Front, wie zum Beispiel der Beweglichkeit (an deinem Spagat!?) deutlich weitergekommen sein!