Adam Ondra: Was ist der beste Körpertyp fürs Klettern?
- Was ist der beste Körpertyp fürs Klettern?
- Wie muss ein Kletterer gebaut sein, um das menschliche Limit im Klettern erreichen und verschieben zu können?
- Ist es gut groß oder klein zu sein?
- Ist es gut dünn und leicht (lean & skinny), oder eher athletischer und damit muskulöser zu sein?
Auf diese Fragen versucht Adam Ondra, ohne Zweifel einer der besten Kletterer der Welt, in einem kürzlich erschienenen Video Antwort zu geben. Da diese Frage wunderbar zu den Themen hier bei target10a passt, werde ich die wesentlichen Aussagen von Adam hier nochmal auf Deutsch bringen, das ein oder andere mit meiner eigenen Meinung dazu ergänzt!
Adam hat das Klettern schon sehr früh begonnen und war nach eigener Aussage damals für sein Alter eher klein und sehr leicht gebaut. Beim Klettern hat er nahezu ausschließlich auf seine starken Finger vertraut! Was damals seine größte Schwäche war, war die Athletik und vor allem die Explosivkraft.
Fingerlänge
Auf die Finger bezogen, ist Adam der Meinung, je kürzer desto besser. Der Grund liegt in der geringeren Hebelwirkung. Ohne das explizit zu sagen, dürfte sich dieser Vorteil vor allem bei Leisten ausspielen, erst recht, wenn man die Finger aufstellen muss!
Denn anschließend macht Adam die Einschränkung, dass wenn die Fingerspannweite vom Daumen zu den anderen Fingerspitzen nicht weit genug ist, es bei vielen großen und dicken Zangengriffen schwieriger wird, diese zu greifen. Man kann dann also nicht mehr die Finger auf diesen modernen großen Zangengriffen zusammenquetschen. Und diese werden heutzutage oft in Boulder- und Kletterwettkämpfen in die Routen eingebaut.
Meine persönliche Mutmaßung ist, dass das vielleicht sogar absichtlich gemacht wird, um verschiedenen Körpertypen eine Chance in den Wettkämpfen zu geben. Draußen, z.B. im Frankenjura, findet man diese Art der großen Zangen hingegen selten.
Fingerdicke
Zu der Fingerdicke würde er sagen, je dicker umso besser, denn je dicker die Finger, umso stärker und weniger verletzungsanfällig sind sie auch. Aber – auch hier gibt es zwei Seiten einer Medaille: Nämlich die Einschränkung, dass man gleichzeitig die dickeren Finger nicht mehr so leicht in kleinere Löcher stecken kann.
Ein schmales 2-Fingerloch kann also von jemanden mit dickeren Fingern nur noch als 1-Fingerloch gegriffen werden. Oder ein Mono kann nicht mehr mit dem Mittelfinger gegriffen werden und man muss den kleinen Finger dafür benutzen.
Fingerkraft
Seiner Aussage nach hat sich Adam Ondra bei der Fingerkraft die letzten 20 Jahre kaum, oder gar nicht verbessert. Er begründet das damit, dass er im Alter von sieben Jahren an einer ähnlich kleinen Leiste hängen konnte, wie er das jetzt im Augenblick auch kann.
An dieser Stelle möchte ich aber noch hinzufügen, dass Adam Ondra dann hinsichtlich der absoluten Fingerkraft doch deutlich stärker geworden ist, da er seit dem er sieben war doch einige Kilos an Körpergewicht zugelegt hat. Seine relative Fingerkraft ist aber gleich geblieben.
Als Kind
Als Kind hat Adam mit viel Kreativität versucht, die großen Abstände zwischen den Griffen zu überbrücken. Manchmal konnte er einen winzigen kleinen Griff als Zwischengriff nehmen, aber manchmal war er auch wirklich nur sehr, sehr kreativ.
Als Adam seine erste 8b+ mit 11 Jahren kletterte, war seine Körperspannung immer noch eine große Schwäche. Den Kletterstil von damals würde er als sehr unruhig, holprig und schwunghaft beschreiben. In seinem Rückblick macht es auf ihm selbst den Eindruck, dass er in jedem Moment aus der Tour fallen könnte, aber er ist halt einfach immer weiter drauf los, bis nach oben geklettert!
Als Jugendlicher
Als Jugendlicher behielt Adam weiterhin seinen sehr leichten und wenig athletischen Körperbau. Aber seiner Meinung nach, zwang ihn diese mangelnde Athletik dazu, die perfekte Klettertechnik und Effizienz zu finden, weil er ansonsten keine Chance gehabt hätte, sich einfach durch die Krux durch zu powern.
Mit 15 fing er an nochmal deutlich zu wachsen und war fast 1,80m groß während er aber gleichzeitig unter 60Kg blieb. Die Athletik blieb weiterhin Adams Schwäche, aber er hatte seiner Meinung nach seinen eigenen, ziemlich schnellen und flüssigen Kletterstil, bei dem er trotzdem sehr präzise Klettern konnte und so ziemlich immer die beste Körperposition gefunden hat!
Die Anforderungen ans Klettern haben sich geändert
Weiterhin erzählt Adam Ondra, dass noch vor wenigen Jahren der perfekte Prototyp eines Kletterers der war: Nämlich so leicht zu sein wie nur möglich. Aber bedingt durch die Änderungen der Wettkampf-Routen und -Boulder ist es heutzutage nicht mehr so gut, so extrem leicht und damit auch weniger athletisch zu sein. Seiner Meinung nach, trifft das sogar für viele der modernen und steilen High-End Routen draußen zu.
In den letzten Jahren wurde Adam daher immer muskulöser und athletischer und hat damit natürlich auch an Körpergewicht zugelegt.
Für das Ausdauer fordernde Routen-klettern mit Seil, fühlt sich Adam mit ungefähr 70Kg in bester Form. Aber wenn er ganz und gar die Athletik und Power fürs Bouldern braucht, fühlt er sich mit 72Kg wohler.
Armspannweite
Weiter geht es mit der Armspannweite und dem sogenannten Ape-Index, also die Körpergröße minus der Armspannweite. Hier ist es wohl so, das es unter den Kletterern vermutlich eine Mehrheit mit einem positiven Ape-Index gibt. Also die Armspannweite beträgt durchaus 5 bis 10cm mehr als die Körperhöhe.
Adam Ondra selbst ist 186 groß und seine Armspannweite ist 187 und hat damit einen Ape-Index von +1, was auf dem ersten Blick relativ normal erscheint.
Allerdings sagt Adam an späterer Stelle im Video von sich selbst, dass er einen außerordentlich langen Hals hat. Zudem meine ich persönlich auch, dass er ein eher kurzes Schlüsselbein und damit eher schmale Schultern hat.
Diese beiden anatomischen Besonderheiten führen meiner Meinung nach dazu, dass Der Ape-Index von +1 bei Adam Ondra etwas verzerrt ist. Würde man jetzt konservativ mutmaßen, dass sein Hals 3cm kürzer und sein Schlüsselbein links wie rechts 1cm länger sein könnte, dann würde bei gleich lang bleibenden Armen und damit Hebelverhältnissen, der Ape-Index schon bei +6 liegen. Also kann man davon ausgehen, dass Adams Arme selber schon relativ lang sind.
Er selber führt nämlich weithin aus, dass lange Arme einen Vorteil und einen Nachteil zugleich haben. Der Vorteil liegt in der Erreichbarkeit von Griffen. Der Nachteil wiederum in den ungünstigeren Hebelverhältnissen.
Wobei er tendenziell den Nachteil der ungünstigeren Hebelverhältnissen über den Reichweitenvorteil stellt. Denn seiner Überzeugung nach ist es sehr schwer eine gute Ausdauer zu haben, wenn die die Armspannweite sehr groß ist. Manchmal scheint seiner Meinung nach in gewissen Situationen eine geringere Reichweite ein großer Nachteil zu sein, aber mit kurzen Armen ist man hingegen meisten sehr stark im Halten von Untergriffen.
Ich persönlich muss an dieser Stelle sagen, dass mich das nicht so ganz überzeugt. Erstens glaube ich wie vorhin schon erklär, dass Adams Ondras Arme gar nicht so kurz sind (also ohne Schultern und Schlüsselbein) und er damit selbst auch mit eher schlechteren Hebelverhältnissen zurecht kommen muss.
Und zweitens glaube ich persönlich, sind die Hebelverhältnisse der Finger und damit der Kraftausdauer in den Unterarmen wichtiger als die der Arme. Ich bin jetzt zwar nie der Ausdauerspezialist für 30m und längere Kraftausdauer Routen gewesen, aber aber ich bin trotz extrem langer Arme nie aus einer Tour gekippt, weil mir die Power in den Armen ausging, sondern der minimierende Faktor waren immer die Finger und somit die lokale Kraftausdauer in den Unterarmen.
Aber bei meiner Performance, was einarmige Klimmzüge anbetrifft, kann ich die Hebelwirkung langer Arme leidvoll bestätigen.
Körpergröße
Die Körpergröße hält Adam für prinzipiell irrelevant, da letztlich Kopf und Hals keinen Einfluss auf die Reichweite eines Kletterers haben. Das ist richtig, aber ich will dennoch anmerken, das nur wenige Personen außergewöhnlich lange oder auch kurze Hälse haben. Also kann meiner Meinung nach die Körpergröße nach wie vor zur groben Einschätzung eines Klettertyps herangezogen werden!
Fazit
Letztlich schließt Adam damit ab, dass es vermutlich den perfekten Körpertyp fürs Klettern nicht gibt, aber dass er auch der Meinung ist, dass man sich selbst bewusst machen muss, welche Stärken und Schwächen sein eigener Körperbau mit sich bringt und wie man damit umgeht!
Für Adam persönlich heißt das: Er weiß, dass er groß ist und damit relativ schwer für einen Kletterer, aber er hat einen schnellen Kletterstil, der sich außerdem durch Präzision und Effizienz auszeichnet. Und darüber hinaus weiß er, dass er sich beweglich halten muss, um trotz seiner Größe hoch antreten zu können, da die Tritte für ihn oft zu hoch erscheinen.
Er gibt allen Kletterern, die sich darüber beschweren sie wären zu groß oder zu klein den Rat, sich darüber nicht all zu viele Sorgen zu machen und jeder hat es selbst im Griff seinen eigenen Weg, und Stil zu finden! Nutzt eure Voraussetzungen zu eurem eigenen Vorteil beim Klettern am Fels!