Kletter-Yoga! The missing Link im Klettertraining?
Hallo und herzlich willkommen liebe Kletterfreunde! In diesem Beitrag will ich euch endlich eine Art “Spezial”-Trainingseinheit von mir vorstellen, welche ich seit ca. 2014 regelmäßig, d.h. im Schnitt einmal die Woche, in mein Klettertraining eingebaut habe! Diese Spezialeinheit hat einige Vorzüge, die sich wirklich positiv auf das Klettern auswirken, aber dazu im Einzelnen später mehr!
Also worum handelt es sich? Es handelt sich um eine „Art“ Yoga-Training. Ich schreibe hier bewusst „Art“, da ich nie eine Yoga-Stunde mit expliziten Yoga-Trainern besucht habe und das was ich sonst so über Yoga gehört oder auch gesehen habe, ein bisschen anders abläuft, als wie ich das mache. Die Yoga-Experten unter euch mögen mir also verzeihen, wie ich Yoga für mein Klettertraining interpretiere, oder wie ich Yoga-Übungen für das Training der Körperspannung, Beweglichkeit aber auch als allgemeines Ausgleichstraining missbrauche! Mit Entspannung und Meditation habe ich einfach aufgrund meiner Persönlichkeit nicht so viel am Hut – ihr werdet das auch gleich an der Übungsauswahl sehen. Aber dennoch – so wie ich es durchführe hat es eine irrsinnig positive Wirkung auf meine Kletterleistung und Verletzungsprophylaxe!
Durchführung
Wie schaut nun also meine Yoga-Einheit fürs Klettern grob aus? Ich habe mir einfach ca. 10 Yoga-Übungen herausgesucht und führe jede einzelne davon für genau eine Minute aus, mache dann eine Minute Pause und weiter geht es mit der nächsten Übung. Ich arbeite dabei mit einer Stoppuhr, daher kann man sich ausrechnen, das bei 10 Übungen mit 9 mal Pause dazwischen das Yoga-Training genau 19 Minuten dauert.
Allerdings, und das ist ganz wichtig, mache ich vor dem Yoga ein ganz normales Beweglichkeitstraining für 20 Minuten. Also ich dehne mich 20 Minuten. Über mein Beweglichkeitstraining habe ich schon ein paar Videos und Beiträge gemacht, also bei Interesse die Details bitte dort nachschauen! Die 20 Minuten Dehnen sind quasi mein Aufwärmprogramm für die Yoga-Übungen. Denn diese sind gerade was die Beweglichkeit angeht zum Teil so intensiv, dass ich da einfach nicht kalt reingehen möchte.
Bin ich also schön warm und beweglich kann es mit dem Yoga-Training an sich losgehen. Kommen wir zuerst zur Übungsauswahl: Ich habe mir im Jahr 2014 einfach mehr oder weniger zufällig ein paar Standard Yoga-Übungen aus dem riesigen Satz aller möglichen Übungen herausgesucht – weniger zufällig vielleicht deswegen, weil ich natürlich die ganz extremen Übungen, zu denen ich einfach körperlich nicht in der Lage bin diese zu machen, gleich aussortiert habe und zu anderen habe ich darauf geachtet, dass die Übungen entweder die Beweglichkeit oder Körperspannung stark beanspruchen. Oder auch beides zusammen, was auch den großen Unterschied zu meinen reinen Beweglichkeitseinheiten oder den Athletik- und Körperspannungseinheiten darstellt, da in diesen Einheiten immer nur der eine oder der andere Aspekt Berücksichtigung findet. Entspannungs- und Meditationsübungen habe ich auch aussortiert..
Ich habe auch über die Zeit die ein oder andere Übung hinzugenommen oder ausgetauscht, was man natürlich längerfristig immer mal machen sollte – Stichwort Abwechslung im Training. Auf der anderen Seite ist es mir aber wichtig eine gewisse Kontinuität zu haben, damit ich auch die Übungen besser verstehe und von der Form und Ausübung her immer besser mache! Daher kann ich auch die Übungszeit von einer Minute konstant lassen, da ich meist immer noch Spielraum habe, die Übungen von der Ausführung her besser und sauberer zu machen.
Ein kleiner Disclaimer noch: Die Ausführung meiner Übungen ist manchmal vielleicht schon gar nicht schlecht, aber bei manchen Übungen auch noch weit vom Optimum entfernt. Ich werde daher neben meiner Ausführung auch noch ein paar Damen zeigen, die die Übungen korrekt machen!
Übung 1(+2): Das Yoga-Dreieck (Trikonasana)
Das Yoga-Dreieck ist gleich eine Kombination aus Beweglichkeit und Körperspannung – es dehnt vor allem die Oberschenkelrückseite und Teile des Rückens. Zu gleich stärkt es aber auch den Rücken und die hintere Schulter. Diese Übung muss natürlich beidseitig ausgeführt werden und das zähle ich auch als Übungsnummer mit, damit ist das Yoga-Dreieck meine Übung 1 und 2.
Übung 3: Der hinabschauende Hund (Adhomukha Shvanasana)
Auch diese Übung ist eine Kombi aus Beweglichkeit und Körperspannung. Hier wird auch sehr extrem die gesamte Beinrückseite gedehnt, also Beinbizeps im Oberschenkel und die Waden. Eventuell auch ein bisschen der Gluteus Maximus. Und da es bei dieser Übung sehr darauf ankommt den unteren Rücken gerade zu halten, ist der hinabschauende Hund auch eine extreme Körperspannungsübung für den Rücken.
Mit diesen ersten zwei, bzw. drei Übungen haben wir was den Rücken angeht auch Belastungen, die im Klettern und Bouldern praktisch überhaupt nicht so vorkommen. Deswegen haben diese beiden Übungen auch einen ausgleichenden oder antagonistischen Charakter hinsichtlich des Klettersports!
Übung 4: Das Boot (Navasana)
Das Boot ist jetzt eine astreine Körperspannungsübung direkt fürs Klettern: Wesentlich beansprucht werden die Bauchmuskeln aber auch Teile der Oberschenkelmuskulatur (Hüftstrecker), um die Beine oben halten zu können. Also genau das, was in steilen Routen oder Boulder gefragt ist!
Übung 5: Das Brett (Chaturanga)
Auch das Brett ist eine reine Körperspannungsübung ohne Dehnreiz, allerdings ist die Belastung absolut gegensätzlich zum Klettern: Die Bauch-Muskulatur wird zwar auch beansprucht, aber noch mehr der Rücken und vor allem die Brust und der Trizeps.
Wenn dir die Übung für den Anfang zu schwer ist, kannst du auch erst mal normale Blanks machen, also statt mit den Handflächen dich mit den gesamten Unterarmen abstützen.
Übung 6: Die Heuschrecke (Shalabhasana)
Die Heuschrecke, ist die Übung welche mich am meisten geißelt! Diese Übung fällt mir unheimlich schwer und dürfte auch von der Ausführung her einer meiner schwächsten Übungen mit sein. Bei mir ist vor allem der Rücken und die hintere Schulter beansprucht, es ist eine reine Körperspannungsübung.
Warum ich in dieser Übung auch trotz jahrelangen Trainings immer noch so schlecht bin, erkläre ich mir hauptsächlich mit meiner Körperanatomie: Lange Arme, viel Gewicht am Schultergürtel, wenig Gegengewicht an den Beinen: Damit tue ich mir vermutlich einfach schwer, die Arme schön nach vorne anzuheben. Ich vermute, dass Frauen bei dieser Übung auch tendenziell anatomisch etwas begünstigter sind, als Männer. Ausnahmen bestätigen natürlich die Regel…
Übung 7: Die schiefe Ebene (Purvotthasana)
Die schiefe Ebene ist eine wahnsinnig intensive Kraftanstrengung für die Oberschenkelrückseite, zumindest bei mir. Natürlich gehört auch einiges an Körperspannung in der Mitte, sowohl in der Bauchgegend wie auch am Rücken mit dazu. Gegen Ende meiner Minute Haltezeit merke ich aber auch, wie der Trizeps im durchgestrecktem Zustand immer müder wird. Außerdem werden die Hand- und Fingerbeuger im Unterarm gedehnt, was gerade für Kletterer wichtig ist.
Die schiefe Ebene ist also für den Kletterer sowohl Ausgleichsübung wie auch Körperspannungs- und Dehnübung!
Übung 8: Der hinaufschauende Hund (Urdhva Mukha Shvanasana)
Mit dem hinaufschauenden Hund wird vor allem der untere Rücken mobilisiert, aber auch die Unterarme und der Bauch gedehnt. Auch das Fußgelenk nimmt dabei eine ungewöhnliche Streckung an.
Übung 9: Der Schulterstand (Sarvangasana)
Der Schulterstand ist auch eine schwache Übung von mir. Ich spüre die Übung vor allem im oberen Rücken, der hinteren Schulter und in der Bauchmuskulatur.
Übung 10: Die Brücke (Chakrasana)
Die Yoga-Brücke ist ein bisschen eine Ausnahme von allen meinen Yoga-Übungen, da ich diese nicht für eine ganze Minute halten kann und will: Die Belastung ist einfach zu intensiv, vor allem wenn ich bei der Ausführungsqualität an meine persönlichen Grenzen gehe. Vor allem spüre ich die Übung so massiv im ganzen Körper, so dass ich nicht mal sagen kann, an welcher Stelle sie am meisten wirkt, wohl auch weil man bei der Ausführung in verschiedene Richtungen ausweichen und abfälschen kann. Und von einer perfekten Ausführung bin ich sowieso Meilen weit weg… Für den Kletterer ist die Brücke auf jeden Fall sowohl Körperspannungs-, wie auch Beweglichkeits- und Ausgleichsübung in einem!
Udo Neumann attestiert der Brücke in seinem Buch „Klettertraining“ sogar, sie sei die „ultimative Ausgleichsübung für Kletterer“ (Seite 259). Soweit würde ich nicht gehen, denn es gibt noch so viel weitere Aspekte und Muskelgruppen, die bei extremen Kletterern eben kletter-sportbedingt zu kurz kommen, aber auch mit der Yoga-Brücke allein nicht ausgeglichen werden können. So z.B. Muskeln wie der Trapezius oder die Brustmuskulatur. Oder wie auch Sprints und Sprünge, mit einer ganz anderen dynamischen Beanspruchung auf Muskulatur, Knochen, Bändern, Sehnen und auch auch dem Nervensystem…
Das sind also die zehn Übungen, die meistens in meinem Kletter-Yoga-Programm vorkommen. Natürlich habe ich auch schon andere gemacht, wie z.B. den „Krieger“ oder die „Krähe“. Ist ja auch klar, das eine gewisse Abwechslung wichtig ist, aber auch eine gewisse Kontinuität, um eben die Übungen nach und nach sauberer auszuführen. Ich gebe zu, ich habe beim Kletter-Yoga mehr auf Kontinuität als auf Abwechslung gesetzt, was ihr aber gerne anders machen könnt!
Das Kletter-Yoga ist also für mich ein Bindeglied zwischen dem Athletik- und Körperspannungstraining einerseits und dem reinen Beweglichkeitstraining andererseits!
Das bringt dir das Kletter-Yoga:
Es bringt unglaublich viel für die Kletterleistung, diese Kletter-Yoga-Einheit zumindest einmal die Woche zu den anderen Einheiten zusätzlich zu machen! Die Fortschritte an Beweglichkeit und Körperspannung wirken sich also unmittelbar aus. Zusätzlich ist das Kletter-Yoga auch Verletzungsprophylaxe, da im Schulter und Rückenbereich viel Mobilisation und auch Dehnung und Stärkung stattfindet!
Weil die Belastung gerade für die Finger und die Arme so kletter-unspezifisch ist, könnte das Kletter-Yoga auch durchaus öfter die Woche, prinzipiell sogar täglich durchgeführt werden. Wer also die Zeit und das Motivation mitbringt, kann sein Trainingspensum damit weit ausdehnen. Allerdings würde ich die wichtigeren Kletter- und Bouldereinheiten dann vorher am Tag machen, weil das Kletter-Yoga doch den Körper und den Geist stark ermüdet! Das Kletter-Yoga ist mit 40 Minuten Dauer auch schnell mal in den Tag eingebaut, man braucht nur eine Matte und ein Zimmer – also perfekt auch bei schlechtem Wetter, keiner Fahrmöglichkeit oder fehlendem Kletterpartner!
Ich persönlich konnte nicht mal eine Einheit die Woche nicht über all die Jahre seit 2014 beibehalten – es gab mehrmals Zeiträume in denen ich wegen Beruf, Familie aber auch anderer sportlichen Ziele das Kletter-Yoga vernachlässigt habe. Aber eine Einheit die Woche zusätzlich zum restlichen Klettertraining langt meiner Erfahrung nach deutlich, um einen merkbaren Schwung in sein Training zu bekommen!
Probiert es also aus und teilt mir eure Meinung und Erfahrung gerne in den Kommentaren mit!
Ansonsten wie immer bis demnächst!
Euer Christoph