Klettertechnik verbessern!
Das Problem des Techniktrainings im Klettern
Eine gute Klettertechnik zu erlernen und stetig weiter zu verbessern, ist natürlich der Grundstein für gutes Klettern und Bouldern! Eine gute Klettertechnik zu haben heißt effizient die entsprechenden Klettersituationen zu meistern und damit Maximalkraft und Kraftausdauer zu sparen!
Das Problem hierbei ist aber die Frage, wie ein gezieltes Techniktraining gerade im Klettern und Bouldern ausschauen könnte! Wenn man sich in einem Training vornimmt die Klettertechnik explizit zu trainieren, dann wird das mit vielen Ansätzen einfach nicht funktionieren.
Ein Beispiel wäre, du willst dich auf eine bestimmte Technik, wie das Eindrehen konzentrieren, doch meist ist es aber so, dass du auf zu viele Klettersituationen stoßen wirst, wo diese Technik einfach nicht gefordert ist.
Oder du steigst in eine Route ein, mit dem Ziel auf eine gute Technik zu achten. Wenn diese Route jetzt schon nah an deiner Leistungsgrenze ist, wird auch das kaum funktionieren – Eine gute Technik läuft im Unterbewusstsein ab. Wenn du dich an deiner Leistungsgrenze jetzt auch noch bewusst auf spezielle Techniken konzentrierst, dann wirst du langsamer und auch die Züge werden unnatürlicher oder sogar verkrampft. Im Endeffekt scheiterst du sogar leichter und es hat sich auch technisch schlechter angefühlt, als wenn du einfach nur drauf los geklettert wärst!
Ein anderes Problem hat eher mit dem Medium hier zu tun und das ist das Vorstellen und Lösen von Problemen mit speziell angewandten Klettertechniken hier über Bilderserien, Videos und Text. Also wenn ich zum Beispiel in einer beliebigen Boulderhalle einen Boulder filme und dann daran erkläre warum eine bestimmte Technik an dieser Stelle besonders hilfreich ist.
Das problematische mit solchen Videos ist, dass gerade die Leute deren Klettertechnik und Erfahrung noch nicht so hoch sind, sich einfach nicht vorstellen können, wie sich die Klettersituation für den Körper wirklich anfühlt. Wenn sie das könnten, dann wäre auch ihre Technik auch schon auf einem höheren Niveau.
Für solche Leute würde es individuell und direkt vor Ort Sinn machen, sich ein Problem zusammen mit einem besseren Kletterer oder Couch anzuschauen und an einer guten Lösung zu arbeiten. In diesem Beitrag will ich euch also keine einzelnen Klettertechniken erklären und vorstellen, sondern ich will eher an Einsteiger gerichtet euch einige generelle Tipps und Fehler, teilweise auch oft gemachte Fehler, hinsichtlich des Techniktrainings zeigen!
1. Anfühlen, analysieren, sich geistig mit der Route oder dem Boulder beschäftigen.
Für die Klettertechnik ist es von großer Bedeutung, dass du die Züge, Griffe, Tritte, also alle Details geistig abspeichern kannst und dann dann auch vor deinem geistigen Auge immer wieder abspulen kannst! Zu diesen Details gehört auch wie sich ein Tritt und Griff anfühlt und wie sich dein Körper bei einem Zug angefühlt hat!
Wenn du diese Details immer wieder und wieder rekapitulierst und zusätzlich auch noch beginnst dir vorzustellen, wie du eine neue Situation anhand der Griffe und Tritte, die du sehen kannst, zu klettern, wird das einfach die Menge an Bewegungsinformationen in deinem Kopf immer weiter vergrößern und damit deine Technik verbessern!
Dieser Vorgang läuft mit der Zeit immer mehr im Unterbewusstsein ab. Nutze aber dazu deine Kletterpausen, die ja zeitlich einen großen Teil deiner Trainingseinheit ausmachen. Denn bei einer zwei stündigen Bouldereinheit bist du vielleicht nur 20 Minuten tatsächlich am Bouldern! Wenn du dich jetzt in der restlichen Zeit nur unterhältst, oder über Gott und die Welt nachdenkst, dann wird dein Lernprozess hinsichtlich der Klettertechnik einfach suboptimal sein.
Überlege also in den Pausen, wie sich dieser oder jene Zug angefühlt haben, was du verbessern könntest, oder mit welchen Zügen sich eine neue Route klettern lassen könnte.
Auch wenn du an einer schweren Stelle scheiterst: Überlege dir einen alternativen Zug und versuche dir gleich vorzustellen, wie er sich anfühlt. Dann versuchst du die Stelle mit der neuen Idee zu klettern und achtest darauf, wie sich deine Vorstellung davon mit der Realität deckt. Umso näher und öfter du Vorstellung und Realität zusammenbringst, desto besser wird auch deine Klettertechnik!
Das eben genannte gilt nicht nur für die vermeintlichen positiven Zugvarianten, mit denen du optimistisch bist, das Boulderproblem tatsächlich lösen zu können, sondern du darfst auch hin und wieder mal negative Zugvarianten ausprobieren und schauen, ob sie wirklich nicht funktionieren. Also nach dem Motto, so und so kann doch dieser Zug eigentlich gar nicht funktionieren. Probiere es dann aus und entweder du hast Recht und kannst dich freuen, dass sich deine Vorstellung auch hier gut mit der Realität deckt! Oder es bietet sich doch mit dieser komischen Variante die Lösung des Problems, was deinem Bewegungshorizont dann erst Recht zu Gute kommt!
Aber genau so solltest du auch andere Kletterer mit ihren Lösungen oder in Ihrem Scheitern beobachten. Vor allem Kletterer, die besser sind als du. Diesen Kletterern kannst du hin und wieder auch bei ihren Unterhaltungen zuhören, wie sie über eine Route diskutieren. Schau dir an, wie sie an einem gewissen Problem tüfteln und systematisch eine gemeinsame Lösung erarbeiten!
2. Mit anderen Bouldern gehen
Kommen wir damit gleich zum nächsten Punkt und das heißt mit anderen Leuten gemeinsam Klettern und vor allem Bouldern zu gehen! So kannst du gemeinsam mit etwa gleichstarken oder leicht besseren Kletterern eine Lösung erarbeiten, mit ihnen über die Probleme diskutieren und sich auch bei anderen die Versuche und letztendlich die Lösungen dazu anzuschauen!
Optimalerweise hast du auch immer leicht bessere Leute mit dabei, von denen du lernen kannst. Außerdem wäre es auch hilfreich sich immer mal wieder neuen Leuten anzuschließen, weil dir dadurch neuer Input und andere Herangehensweisen durch die unterschiedlichen Stärken, Schwächen, Erfahrungen und sogar Einstellungen gezeigt werden. So wird dir zum Beispiel ein Kletterer mit ganz anderer Körpergröße oder Gewicht manchmal eine viel effizientere Lösung zeigen können.
Du kannst aber auch im Vergleich mit anderen Leuten leichter feststellen, wo deine Stärken und Schwächen sind! Wenn ihr in eurer Gruppe prinzipiell alle den gleichen Schwierigkeitsbereich klettert, du dir aber in einer speziellen Art von Kletterei immer schwerer tust, als die anderen, dann hast du hier wohl eine Schwachstelle gefunden!
Wenn du so zum Beispiel feststellst, dass du auf kleinen Tritte nicht so Recht die richtige Balance und Belastungsdosierung findest, dann solltest in Zukunft vermehrt Routen dieser Art klettern. Die können gerne auch ein bisschen leichter, als dein normaler Schwierigkeitsgrad sein, also in der Boulderhalle zum Beispiel eine Farbe darunter.
3. Abwechslung bei deinen Routen und Boulder
Die Abwechslung, die dir bei deinen Kletterkollegen gut tut, gilt genauso für die Art der Kletterei die du machst. So solltest du immer wieder für Abwechslung hinsichtlich der Griffformen, der Neigung, des Charakters aber auch hinsichtlich der Länge der Routen und Boulder sorgen.
Das Problem vieler ist, dass sie gerne nur das machen worin sie gut sind – auf das Klettern bezogen heißt das, meist nur die Art von Kletterei zu machen, die einem liegt und den Routen aus den Weg zu gehen, welche einem schwer fallen, obwohl sie von der Schwierigkeitsbewertung her eigentlich passen sollten.
So kann es zum Beispiel sein, dass Leute steile und athletische Kletterei meiden, andere hingegen meiden technische Plattenkletterei, wieder andere hingegen mögen keine Dynamos. Die schlimmen Fälle haben gleich zwei oder mehr solcher Abneigungen. Es kann sich auch auf Griffformen beziehen, so dass manche beispielsweise Routen mit Slopergriffen aus dem Weg gehen, andere mögen keine Zangen und wieder andere keine kratzigen Leisten.
Jetzt kann es aber sein, dass auch in deinem Lieblingsbereich eine Route dabei ist, in der eine Stelle mal ganz anders ist. Zum Beispiel du magst eigentlich keine steilen Routen. Aber eine tolle senkrechte Route hat vielleicht auch mal einen steilen Bouldereinstieg. Oder in einer überwiegenden Leistenkletterei ist auch mal ein Sloper dabei.
Auch wenn dieser Punkt jetzt schon für die etwas Fortgeschritteneren gilt: Auch die Abwechslung der Gebiete oder Boulder- und Kletterhallen ist wichtig. Wenn du also die Möglichkeit hast, wechsel so oft wie Möglich die Halle, denn mit unterschiedlichen Routenbauern und auch Wandstrukturen und Griffen wirst du auf neue Herausforderungen stoßen! Das gilt natürlich auch für die Gebiete draußen, wenn du auch Outdoor unterwegs bist! Durch die unterschiedlichen Felsarten gib es andere Neigungen und andere Griffstrukturen, die oft eine völlig andere Kletterei und Technik erfordern!
4. Technik-Drills
Kommen wir damit zum nächsten Punkt und zwar dem Problem mit Technik-Drills im Klettertraining. Im Klettern ist es schwer, bestimmte Techniken, wie z.B. Eindrehen, Drop-Knee usw. als Technik-Drills durchzuführen, wie das z.B. im Tennis oder anderen Sportarten gut funktioniert. Beim Tennis kann man z.B. 30 mal Vorhand schlagen, 30 mal Rückhand und dann 30 mal den Aufschlag.
Im Klettern sind solche Technikübungen oder Drills deswegen schwer, weil die Routen und Boulder zu unterschiedlich sind und es deswegen praktisch nicht möglich ist zu sagen, ich trainiere heute explizit das Eindrehen, oder Schulterzüge oder eine andere Technik.
Wenn du das versuchst, wirst du vor allem in unbekannten Routen immer wieder auf völlig andere Klettersituationen treffen, die die gewünschte Technik einfach nicht erfordern!
Also, wie können wir trotzdem eine Art Technik-Drills wie im Tennis machen? Es gibt zwei gute Möglichkeiten dazu:
1. Beim Aufwärmen – Während wir uns mit leichten Touren und Boulder aufwärmen, klettern wir deutlich unter unserer Leistungsgrenze und haben deswegen die Möglichkeit uns ganz auf gewisse „saubere Techniken“ zu konzentrieren, wie z.B. sauber Treten, hoch antreten, am langen Arm klettern, oder mit dem Körperschwerpunkt spielen, um eine Stelle besonders effizient und kraftsparend zu klettern. Aber versuche auch mal in statischen Zügen ein bisschen Dynamik rein zu bringen, um Kraft zu sparen und um auch schneller unterwegs zu sein.
2. Beim Wiederholen von geschafften, schwereren Routen: Das wiederholen von Touren und Boulder ist eine Sache, die meiner Beobachtung nach von vielen Kletterern nicht gemacht wird, dabei bietet gerade das Wiederholen knapp unter der Leistungsgrenze die Möglichkeit schwere und neue Züge in das Gedächtnis und den Körper einzuschleifen und dazu auch noch zu optimieren. Man wird bei der ersten Wiederholung die gesamte Route vermutlich schon effizienter Klettern als beim ersten Durchstieg. Bei jeder weiteren Wiederholung lässt dieser Effekt dann natürlich nach.
Das Wiederholen sollte zeitnah gemacht werden, am besten noch in der gleichen Trainingssession oder spätestens eine Woche später. Wenn du merkst dass dir eine Wiederholung keine neue Aspekte mehr bringt und sie sich schon zu gewöhnlich anfühlt, dann machen weitere Wiederholungen kaum noch Sinn!
5. Ausbouldern
Das vielleicht aber beste und wichtigste Techniktraining ist das ausbouldern von schweren Einzelstellen knapp unterhalb deiner Leistungsgrenze! Dabei kann es sich sowohl um Einzelstellen beim Seilklettern handeln oder um kurze, schwere Boulder an sich, gerne auch in der Halle.
Wichtig dabei ist die Auswahl der Boulder, die wie schon gesagt knapp unterhalb deiner Leistungsgrenze liegen sollten. Das bedeutet, dass du so einen Boulder nicht auf Anhieb klettern kannst, sondern dass du schon eher fünf Versuche oder auch noch mehr brauchst, um das Problem zu lösen.
Dabei solltest du im ersten Ansatz keinesfalls mehr Krafteinsatz als Lösung wählen, also du solltest nicht einfach versuchen die Griffe fester zuzuknallen, sondern das erst als letztes Mittel dazu einsetzen.
Zuerst solltest du hingegen mit allen möglichen Varianten spielen, um mit der bestmöglichen Technik das Problem zu knacken! Das kann unterschiedlichste Aspekte haben: Du kannst verschiedene Griffreihenfolgen versuchen, unterschiedliche Tritte verwenden, aber auch einfach nur mit unterschiedlichen Fußpositionen und dem Gleichgewicht auf einem Tritt spielen. Manchmal musst du auch einen Griff, den du zuerst frontal genommen hast, eher als Seitgriff zu deinem Körper ziehen, oder umgekehrt, von deinem Körper weg nach außen weg schultern.
Achte dabei immer darauf, welche Elemente sich schon gut und richtig anfühlen und welche eben noch nicht. So kannst du mit systematischen ausprobieren dir die beste Lösung erarbeiten.
Die beste Lösung zu finden ist aber nur der offensichtlichste Vorteil, den dir das ausbouldern bietet. Das andere ist aber, dass du so extrem viele Einzelinformationen über Bewegungen, Tritte, Griffe usw. mit nur einem Boulderproblem gewinnst, was für die Zukunft bedeutet, das du mehr darüber weißt, was in bestimmten Situationen gut oder weniger gut funktioniert!
Boulderst oder Kletterst du hingegen nur Sachen die du gleich oder zumindest sehr schnell schaffst, dann wirst du meist nur deine Standart-Bewegungen und Züge machen, die du sowieso schon in deinem Kopf abgespeichert hast! Gerade in Kletterrouten sind ja die meisten Züge so, dass man sie in sehr ähnlicher Form schon mal gemacht hat und da bleibt dann wenig Spielraum für wirklich neues.
Nutze also das ausbouldern und zwar an Problemen die dich nicht überfordern, aber dennoch herausfordern, um auch mit den ganzen zahllosen Fehlversuchen deine Klettertechnik zu verbessern!
Verinnerlicht diese fünf Aspekte für euer Klettertraining und ihr werdet eure Technik schnell auf ein neues Niveau heben!